Auftakt der Theaterspielzeit mit „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ in der Rheinhausen-Halle. Glänzender Friedrich Witte in der Hauptrolle. 500 Besucher

Als der Roman von Thomas Mann über den Erben eines bankrotten Sektproduzenten 1954 erschien, wurde Deutschland zum ersten Mal Fußballweltmeister. Der altersschwache und kranke Thomas Mann gab das Manuskript zur Veröffentlichung frei, war aber noch nicht zufrieden. Er wollte noch zwei Teile schreiben, sah sich aber außerstande, weiter daran zu arbeiten. Die deutschsprachigen Leser kauften dennoch das Buch wie die Weltmeister. Heute, fast 60 Jahre nach der Ersterscheinung, wirkt auch die Theaterfassung sprudelnd und quicklebendig. Geschätzte 500 Besucher erlebten beim Auftakt der Theaterspielzeit in der Rheinhausen-Halle einen über weite Strecken amüsanten und köstlichen Abend.

Die Gene, das Leben in Saus und Braus zu genießen, muss der junge Felix Krull, vorzüglich durch Friedrich Witte verkörpert, von seinem Vater geerbt haben. Denn der Knabe erlebte unmittelbar die wein- und sektseligen Empfänge und Bankette des Erzeugers mit. Da wurde geschunkelt, gesungen, gegrölt und vor Entzücken gekreischt, aber immer vornehm und nach außen Standesdünkel vorweisend: das Leben der besser Gestellten schien eine einzige große Feier zu sein.

Damen in goldenen Fransenröcken

Im Rückblick war das alles zu sehen: eine weiße Tafel mit beschwipsten Gästen, Vater Krull (Michael Nowack), der sich an Damen in goldenen Fransenröckchen über langen nackten Beinen schmiegte, die auf dem Tisch thronten oder sich dort längsweise räkelten, derweil Felix über diese Kindheitsjahre erzählte. Wenn er allein war, zog er sich selbst Kostüme und Perücken an und stellte sich vor, als Erwachsener in diesen Kreisen zu verkehren.

Die Firmenpleite und der Tod des Vaters veränderte die Situation. Er war arm, kam aber durch die Hilfe seines Paten (Hannes Ducke) in einem führenden Pariser Hotel unter. Zuvor führte er die Musterungskommission in die Irre, als er einen Irren spielte, der unbedingt Soldat werden wollte. Die um ihn herum tanzenden Militärärzte in ihren langen weißen Mänteln wiesen ihn preußisch pflichtbewusst ab: „Die Kaserne ist keine Heilanstalt!“ Das war Krull erstes Tarnmanöver. Er wurde Page und sofort sprangen die weiblichen Gäste auf ihn an. Er verwirrte unwillentlich die Damenwelt, weil er nicht Nein zu sagen vermochte. So geriet er in die Situation, einen von seinem Vater auf eine Weltreise verbannten Sprössling (Markus Friedmann als Marquis de Venosta) zu ersetzen. Der echte Adlige wollte bei seiner Geliebten in Paris bleiben und bat Krull, in seine Rolle zu schlüpfen, mit echten Schecks für Reisekosten ausgestattet.

Krull nahm gerne an, konnte er doch das Leben in vollen Zügen genießen, so wie er es sich immer erträumt hatte. „Es ist doch Zufall, dass manche Leute Geld haben und die anderen ausgeschlossen sind. Die heute bequem in ihren Sesseln liegen, könnten doch von denen, die sie bedienten, gut ersetzt werden.“

Und so erstürmte der Marquis alias Felix Krull die Welt und brach viele Frauenherzen. Manchmal sogar die von Mutter und Tochter. Eine leichte und lustvolle Aufgabe für den Blender von Welt.

Faszinierend in diesem heiteren Bühnenspiel war Thomas Manns Sprache, die der Dichter und Schriftsteller blasiert, umständlich und gestelzt gestaltet hatte, eben so, wie die feine Gesellschaft gegen Ende des 19. Jahrhundert zu „parlieren“ pflegte. In solchen Kreisen fiel das Hochstapeln leicht, wenn man den dort üblichen Wortschatz, die Floskeln gebrauchte und das Verhalten der „besseren Leute“ zu übernehmen wusste.