Deutschlands erstes duales Studium, das „Krefelder Modell“, feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum.

„Eigentlich waren alle dagegen“, erinnert sich FH-Präsident Hans-Hennig von Grünberg, an die Anfänge des „Krefelder Modells“. Auszubildende des Bayer-Werks mit Fachhochschulreife sollten statt zur Berufs- zur Hochschule gehen und so während ihres Studiums neben viel Betriebspraxis auch einen Facharbeiterbrief erwerben. Was heute in vielen verschiedenen Arten praktiziert wird, war 1982 bahnbrechend - und von viel Skepsis begleitet. „Die Dozenten hatten Angst, dass Unternehmen sich in die Freiheit der Lehre einmischen, der Asta war dagegen, und auch die Wirtschaft war skeptisch.“ Doch das Modell bewährte sich.

Die ersten Azubis, die auf diese Weise „nebenbei“ die ersten Scheine ihres Ingenieurs-Studiums erarbeiteten, waren Chemielaboranten und Chemikanten von Bayer Uerdingen. So wie heute Lisa Buzilowski, die im ersten Lehrjahr bei der Bayer-Tochter Currenta den Beruf des Chemikanten erlernt. Die 20-Jährige ist drei Tage pro Woche, wie jeder Azubi, im Betrieb beschäftigt. Zwei Tage geht sie zur Fachhochschule Niederrhein, wo sie den „Bachelor of Engineering“ anstrebt.

Das wird die ersten vier Semester so bleiben. Es folgt die Abschlussprüfung ihrer Berufsausbildung vor der Industrie- und Handelskammer. Ist die erfolgreich, geht es anschließend drei Semester in Vollzeit an die FH. Es folgt ein Auslands- oder Praxissemester, bevor es - in der Regel in Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbetrieb - an die Bachelor-Arbeit geht.

Bachelor of Engineering

„Einerseits stand für mich schon immer fest, das ich studieren wollte“, erzählt die Krefelder Abiturientin. „Aber jeden Tag nur die Uni zu sehen zu bekommen, war irgendwie auch keine Perspektive. Ich wollte schon so früh wie möglich in die Praxis, dahin, wo wirklich was passiert.“

Das hat sie mit dem dualen Studium geschafft: „Klar, ich muss manchmal um vier aufstehen, um rechtzeitig zur Frühschicht im Betrieb zu sein. Aber die Werkshallen mit den riesigen Kesseln sind einfach eine ganz andere Umgebung als ein Uni-Labor. Und immerhin weiß ich später als Ingenieurin, wie sich Schichtarbeit anfühlt, habe mit den Leuten in der Produktion schon zusammengearbeitet.“

Ein weiterer Vorteil: Während des Studiums wird sie von Currenta bezahlt. „Viel ist das nicht“, räumt ihr Chef, Chempark-Leiter Stefan Dresely, ein. „Halt eine normale Ausbildungsvergütung. Aber das ist immer noch besser, als neben einem Vollzeitstudium noch jobben zu müssen.“ Aber auch auf seiner Seite liegen die Vorteile auf der Hand: „Unser Unternehmen kann schon unter Schulabgängern angehende Fachkräfte rekrutieren, die an das Unternehmen binden und profitiert schon während deren Ausbildung vom Wissenstransfer von der Hochschule.“

Die Hochschule schließlich freut sich über den Import von Praxis ins Studium, etwa dadurch, dass in Abschlussarbeiten konkrete Fragestellungen aus dem beruflichen Alltag der Dual-Studenten untersucht werden.

„Und nicht zuletzt „freuen wir uns über den Kontakt zu Unternehmen“, sagt Professor von Grünberg. Also mischt sich die Wirtschaft doch in das Gute, Schöne, Wahre des Lehrbetriebes ein? „Nein“, sagt er. „Die klare Abgrenzung von Studium und Berufsausbildung war von Anfang an ein Grundpfeiler unseres Konzeptes. Wir mischen uns nicht in die Ausbildung im Betrieb ein, und die reden uns nicht bei Lehr- und Prüfungsinhalten rein.“

Jetzt auch für Kaufleute

Scheinbar mit Erfolg: Das „Krefelder Modell“ ist bei bei Studenten und Unternehmen beliebter, 2009 wurde es von der Landes-Initiative „Zukunft durch Innovation“ ausgezeichnet - und es wächst. Anfangs waren es nur Chemielaboranten und Chemikanten, die den dazu passenden FH-Abschluss anstrebten.

Es folgten Maschinenbauer und Elektriker, und seit dem laufenden Wintersemester werden in Krefeld auch angehende Kaufleute in Wirtschaftswissenschaften ausgebildet. Etwa 800 der rund 10 000 Krefelder FH-Studenten studieren „dual“. Tendenz steigend.