Duisburg-West. . Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren gab es auf dem Rhein bei Homberg zum letzten Mal Eisgang. Zeitzeuge Viktor Waamelik erinnert sich.
„Der, der an einem großen Strom lebt, hat einen Teil der Gnade Gottes“
Johann Wolfgang von Goethe
Franzosen, Spanier, Holländer und die Preußen, sie haben sich wohl gefühlt am Rhein rund um Duisburg. Seine Faszination hat der Fluss über die Jahre offenbar keinesfalls verloren, ein Blick auf die Deiche bei halbwegs schönem Wetter reicht da aus. In raschem Tempo und stets vielbefahren zieht er an Duisburg vorbei bis nach Rotterdam.
Von fließen konnte in den klirrend kalten Wintern der 1920-er Jahre keine Rede sein, der Strom war zugefroren, man konnte übers Wasser laufen. Fast auf den Tag genau gab es letztmals sogenannten Eisgang, Eisschollen trieben über den Rhein. Der Homberger Heimatforscher Viktor Waamelink blickt zurück.
„Als technischer Leiter der Ruhrorter Winschermann-Werft war ich in den 60ern viel mit dem Auto den Rhein hinauf bis zur Loreley unterwegs.“ Waamelink erinnert sich noch sehr gut daran, wie der vereiste Strom im Rheintal hatte frei gesprengt werden müssen. Der 62-er Winter war ein besonders harter, „wochenlang hatten wir Temperaturen von weit unter Null Grad.“ Es war fast wie in allen Wintern zuvor. Erst kam das Adventshochwasser, dann wurde es warm und nach Karneval richtig kalt. Der Winter 1963 war dann sehr mild.
Komplett zugefroren letztmals im Jahr 1929
War der Rhein wie 1929 komplett zugefroren, strömten die Menschen herbei. „Viel hatten wir ja nicht, also gingen wir zum Rhein“, sagt der 89-Jährige. Bis zu fünf Meter hoch hatte sich das Eis getürmt, darunter floss der Rhein. Ungefährlich war die Flussüberquerung aber nicht, „es sind etliche eingebrochen und ertrunken.“
1962 trieben das letzte Mal Eisschollen über den Rhein, heute ist das ausgeschlossen, ist der Winter auch noch so kalt. Viktor Waamelink kennt die Gründe. „Die Klimaerwärmung ist ein Grund. Abgesehen vielleicht vom vergangenen Winter wird es nicht mehr so kalt wie noch in den 1960-er Jahren.“ Klingt plausibel, doch gibt es noch jede Menge mehr Gründe.
„In den 1960er Jahren brummte die Wirtschaft. Es entstanden längs des Rheins jede Menge Betriebe und Kraftwerke, auch Atomkraftwerke. Die nutzen das Rheinwasser zur Kühlung ihrer Anlagen, leiten dann wärmeres Wasser wieder in den Fluss.“ Zudem sei heute viel mehr Verkehr auf dem Rhein. Früher hielten die Kähne abends an, heute ist der Fluss stets in Bewegung. Außerdem würden die Franzosen aus ihren Kali-gruben Salze in den Rhein leiten. Strombauliche Maßnahmen, so wurde an vielen Stellen die Fahrrinne behindernder Kies abgetragen, haben dafür gesorgt, dass der Rhein heute schneller fließt als noch vor 50 Jahren.
Viktor Waamelink schaut sich gerne die alten Fotos an, über die Jahre ist ein großes Heimatarchiv in seinem Homberger Haus entstanden. Er bedauert es aber keinesfalls, dass es heutzutage keinen Eisgang mehr gibt. „Viel wichtiger ist es, dass der Rhein heute nahezu Trinkwasserqualität hat. Viele der Maßnahmen zur Säuberung des Flusses haben gegriffen.“ Die Preußen hätte das sicher auch gefreut...