Das Musical-Theater „Pro You“ berührte tief mit dem Epos „Das Lazarett“. Es feierte jetzt in der Rheinhausen-Halle Premiere mit drei Aufführungen.

Ein Abend mit meist leisen, aber unbedingt eindringlichen Tönen. Der Schmerz an offenen und inneren Wunden, der Verlust von Menschen, die einst nahe standen, die Sehnsucht nach Harmonie, kleinen Freuden des Alltags und dem privaten Glück, auch in der Liebe – das sind Selbstverständlichkeiten, die in Kriegszeiten zu Luxusgütern werden. Das vom Amateurtheater „Pro You“ behutsam präsentierte Musical „Das Lazarett“ verstand es, bei den insgesamt drei Aufführungen rund 1800 Premierenbesucher in der Rheinhausen-Halle zu berühren.

Es war ein Abend ohne breites Ablachen, aber mit viel Herz – und ein Aufruf in Liedern an die Menschen, friedlich und würdevoll miteinander umzugehen. Die Story, ersonnen vom 31-jährigen Christian Schilling, erzählt vom Leben in einem britischen Lazarett während des Zweiten Weltkriegs. Abgestürzte deutsche Soldaten mischen sich unter die Lagerinsassen, um nicht entdeckt zu werden.

Verzweifelt-romantische Liebesstory

Es entwickelt sich eine verzweifelt romantische Liebesgeschichte zwischen der Lazarettschwester Helen (Miriam Göbel) und dem Soldaten Matthias, die wegen des Krieges zum Scheitern verurteilt scheint, aber durch die Leidenschaft und Entschlossenheit der beiden die Spannung auf der Bühne erhält. Um sie herum sterben Menschen, werden Frauen vergewaltigt. Das englische Volk ist entschlossen, die deutschen Eindringlinge zu vertreiben und zu besiegen. Was der Bürgerchor da leistet, ist eine aufwühlende gesungene Empörung, die den Besuchern noch in der Pause in den Ohren hämmert.

Die Musik komponierte Benjamin Hübbertz-Ivartnik, der nach „Flügel“ und „Verliebt, verlobt, verlassen“ sein drittes Tonwerk ablieferte. Dieses Mal war das sonst mitreißende Spaß-Geträller der Party- und Event-Generation abwesend. Aber es ging eben um etwas grundsätzlich anderes als um Lebenslust und nette Leute, nämlich um das alltäglich nackte Überleben, mit Rationierung der Mahlzeiten, der persönlichen Freiheit und des individuellen Bewegungsspielraumes.

Die Stimmen der beiden Hauptdarsteller hatten gehobenes Niveau, wenn auch bei Tonartwechseln Irritationen nicht zu überhören waren. In der instrumentellen Bearbeitung überwogen schwebende Streicher und Synthesizer, die Schwermut und Belastung ausdrückten, auch wenn am Horizont manchmal kleine Tontropfen des Glücks und der Hoffnung aufleuchteten.

Abgründe menschlicher Verlorenheit

Die Ballettszenen, vor allem nach der Vergewaltigungsszene und nach Todesfällen, zeigten den Abgrund menschlicher Verlorenheit. Nahezu gespenstisch bewegten sich Kapuzengestalten in Fransengewändern, deren gruselige Ähnlichkeit mit Figuren aus Horrorstreifen Marke „Die Nacht der lebenden Toten“ wahrlich kein Grinsen auf den Minen der Besucher hinterließ. Krieg ist eben kein Comedy-Auftritt. Aber ein Drama, das auch auf der Bühne Spuren von Traurigkeit hinterlässt. Das Liebespaar sang, gezeichnet von der übermenschlichen Anstrengungen, die täglich vom Einzelnen gefordert wurde: „Wer stellt die Frage nach Liebe? Was wir uns stehlen, sind ein paar Minuten!“

Die Lautsprecherkommentare über die Kriegsentwicklung erleichterten den Zuschauern das Verständnis. Das Bühnenbild hatte viele realistische Komponente: Lazarettzelt im Hintergrund, auf Leinwand eingeblendete Wiesen, Weiden, Auen der britischen Midlands, von oben Zweige und Äste, die den Eindruck vermittelten, sich unter einem großen Baum zu bewegen, der auch als Symbol für Schutz und minimale Geborgenheit gesehen werden konnte. Fazit: Diesem Musical sind noch viele Aufführungen zu wünschen – im Zeichen der Liebe und des Friedens.