Duisburger Westen hinkt dem Bundestrend hinterher. Nicht überall gibt es junge Leute im Bundesfreiwilligendienst
Landauf, landab schmücken sich Verantwortliche, allen voran Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, mit dem Erfolg des Bundesfreiwilligendienstes. Bekanntlich fiel mit der Abschaffung der Bundeswehrpflicht auch der Zivildienst weg. Quasi an dessen Stelle rückte der Bundesfreiwilligendienst, kurz auch Bufdi, genannt. Das Ziel: Mit dem einjährigen freiwilligen Engagement von jungen Leuten sollen möglichst Engpässe in sozialen Einrichtungen abgefedert werden. Noch Ende letzten Jahres freute sich die Bundesfamilienministerin, wie toll doch dieser Dienst von den jungen Leuten angenommen wurde, da alle Stellen vergeben seien. Nur am Duisburger Westen scheint der allgemeine Bundestrend vorüber gegangen zu sein. Hier sind längst nicht überall junge Freiwillige, wo einst Zivildienstleistende in Einrichtungen für echte Entlastung und Unterstützung der Stamm-Belegschaft sorgten. Engpässe gibt es vor allem in Altenheimen, weniger Probleme haben Jugendeinrichtungen, wie etwa das Jugendzentrum Tempel in Rheinhausen.
Überbrückung bis zum Studium
Dort ist die Leitung glücklich, den 19-jährigen Ruwen Marek an ihrer Seite zu haben. Ursprünglich wollte der junge Mann nach dem Abitur am Krupp-Gymnasium seine Zivi-Zeit im Tempel absolvieren. Den Entschluss fasste er vor etwa drei Jahren und hatte sich auch beworben. Und dann kam die Änderung: keine Bundeswehrpflicht mehr, keine Zivi-Pflicht mehr. Ruwen zog die Bewerbung trotzdem nicht zurück. Denn als langjähriger Besucher des Tempels hatte er Interesse an der Arbeit mit Menschen, vor allem mit jungen Menschen gewonnen. Deshalb strebt er auch ein Lehramtsstudium an seiner Wunsch-Universität Bochum an. Später möchte er gerne an einem Gymnasium lehren, „weil ich auch aufgrund der Fächerauswahl Biologie und Chemie lieber mit älteren Jugendlichen arbeiten möchte“, sagt er. Sein Bundesfreiwilligenjahr begann am 1. September letzten Jahres, und er sieht diese Zeit auch ein bisschen als Überbrückung bis zum Studiumsbeginn, aber nicht nur. Denn in den bisherigen Monaten hat er als Erfahrungen für sich bereits festgestellt, dass er für manche Dinge eine andere Sichtweise entwickelte. Ruwen: „Ich habe zum Beispiel ein Auge dafür bekommen, wo dreckiges Zeug liegt und wo mal aufgeräumt werden müsste.“ Er sieht sich als dritten Hauptamtlichen, hat die gleichen Aufgaben wie die Leiter Ulrike Thomas und Klaus Schumacher. „Wir wechseln uns beim Kochen ab.“ Und Ruwen Marek freut sich: „Mittlerweile kann ich alleine kochen.“ Vorher hatte er seiner Freundin lediglich zwei bis drei Mal dabei geholfen. Seine weiteren Aufgaben im Tempel: Er spielt mit Kindern Kicker, redet ihnen ins Gewissen, wenn sie sich streiten, macht Thekendienst, plant ein Projekt.
Die Bezahlung sei okay. „Ich lebe noch bei meinen Eltern und komme zurecht.“ Die Bufdi-Zeit empfiehlt er jungen Leuten, aber nur „wenn sie eine Einrichtung haben, mit der sie etwas anfangen können und mit der sie sich verbunden fühlen.“ Ruwen Marek ist überzeugt, dass sich seine Bufdi-Zeit gut im Lebenslauf machen wird: „Mein künftiger Arbeitgeber sieht, dass ich praktische Erfahrungen habe und nicht nur wissenschaftlich gearbeitet habe.“ Positiv für ihn ist zudem, dass die Zeit als zwei Wartesemester angerechnet wird.
Klaus Schumacher, einer der Tempel-Leiter, ist zuversichtlich, dass er ab Ende August dieses Jahres wieder einen Bufdi bekommt. Die Auswahl sei größer geworden. Es könne auch ein Arbeitsloser sein. Schumacher kann sich auch einen Rentner als Bufdi vorstellen: „Warum nicht, bei dem Erfahrungsschatz, den er hat.“
Andreas Heisel, Leiter des Awocura Lene-Reklat-Seniorenzentrum Friedrich-Ebert-Straße in Rheinhausen hat drei Bufdis, die sich bei der Awocura beworben haben, zwei junge Männer und ein junges Mädchen von 19 und 20 Jahren. Es habe eine Weile gedauert, bis er sie bekommen hat. Nach seiner Einschätzung sei das Seniorenzentrum für die jungen Leute ein Notnagel. Sie hätten sich zunächst um eine Ausbildungsstelle beworben, sie aber nicht bekommen und überbrücken nun das Jahr. Das Freiwillige Soziale Jahre (FSJ) absolvieren momentan zwei junge Leute. Häufig seien das auch frühere Praktikanten der Lise-Meitner-Gesamtschule.
Betreuung und Pflege
Als Bufdis bewerben sich übrigens mehr junge Männer als junge Frauen. Sie werden in der Betreuung und Pflege eingesetzt. Gerade Letzteres, so vermutet Andreas Heisel, schrecke jedoch manchen jungen Menschen ab: „Das ist nicht jedermanns Sache. Mancher hat Schwierigkeiten, auf Menschen, die zwei Generationen älter sind, zuzugehen.“ Auch Rentner könnte sich Heisel vorstellen: „Warum denn nicht?“ Ein idealer Einsatz für sie wäre die Betreuung, zum Beispiel Vorlesen, Spaziergänge, Begleitung bei Arztbesuchen, Gedächtnistraining oder einfach nur gemütliche Tischrunden.
Bewohner und Mitarbeiter des Lene-Reklat-Hauses können sich glücklich schätzen, dass sogenannte Bufdis helfend zur Seite stehen. Anders sieht es dagegen zum Beispiel im Evangelischen Alten- und Pflegeheim Bodelschwingh-Haus in Bergheim und im DRK-Multikulturellen Seniorenzentrum Homberg aus. Deren jeweiligen Leiter, Elisabeth Liß (Bodelschwingh-Haus) und Ralf Krause (Seniorenzentrum Homberg) hätten gerne junge Leute, die freiwillig ein Jahr mitarbeiten. An Bewerbern, so betonen beide, mangele es nicht. Aber an Geld.
Die Hintergründe erläutert Stefanie Schroer, Referentin Marketing und Kommunikation Freiwilligendienste beim DRK-Landesverband Nordrhein: „Die Träger sind vom Bundeskontingent abhängig. Und der ist zurzeit eingefroren.“ Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA ) fördert einen Bufdi mit 350 Euro. Ein Zivildienstleistender erhielt früher 230 Euro, plus Entlassungs- und Weihnachtsgeld sowie zusätzlich noch Geld vom jeweiligen Träger. Der feine Unterschied ist: Zivi-Plätze konnten früher besetzt werden ohne Grenze nach oben. Die Plätze im Bundesfreiwilligendienst sind begrenzt.
Für den DRK-Landesverband Nordrhein bedeutet das: Auf sein Gebiet, das in etwa dem Regierungsbezirk Düsseldorf entspricht, entfallen heute 223 Bufdis und 500 junge Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ). Vorher waren es 600 Zivis und 550 FSJ-ler. Stefanie Schroer: „Wenn sich heute Einsatzstellen bei uns melden, können wir nur sagen, dass wir keine freien Plätze mehr haben. Erst ab Sommer, wenn das neue Bufdi-Jahr beginnt.“ Das erklärt auch, weshalb Heimgeschäftsführer Ralf Krause keine freiwilligen Helfer im DRK-Seniorenzentrum Homberg zur Seite hat.