Duisburg.
Ausgerechnet in Homberg wurde am Samstag ein Stück Musikgeschichte geschrieben: Die „Spotnicks“, eine der weltweit besten, beständigsten und erfolgreichsten Gitarrenbands aller Zeiten, gaben in der Glückauf-Halle ihr letztes Deutschland-Konzert. Auf ihrer Abschiedstournee geben die Skandinavier 2012 noch acht Konzerte in ihrer schwedischen Heimat – dann ist nach 54 Jahren endgültig Schluss. In Homberg begeisterten die Saitenkünstler beim Festival „Guitar Heroes of the World“ noch einmal rund 450 Fans mit ihrem glasklaren, harmonischen Gitarrensound und vielen ihrer unzähligen Hits. Musik aus einer anderen Zeit…
Fans aus Holland, Belgien und Italien
Zu dem historischen Farewell-Konzert waren Fans aus ganz NRW, Holland, Belgien und sogar Italien in Duisburg zusammengeströmt. Ihr durchschnittliches Alter: 60 bis 70 Jahre. In der 1960 eingeweihten Glückauf-Halle lag eine Stimmung aus Spannung, Vorfreude und Wehmut in der Luft. Um Punkt 23 Uhr war es endlich soweit: Als die „Spotnicks“ ihre Gitarren in ihre Marshall-Verstärker stöpselten und die ersten Riffs spielten, hielt es die ersten Fans an den langen Tischreihen im Saal nicht mehr auf ihren Stühlen. Die Leute tanzten, wippten und klatschten ausgelassen zum rockigen „Good looking “. Kein Halten gab es auch, als die „Spotnicks“ den Rock ‘n’ Roll-Klassiker „Summertime Blues“ von Eddie Cochran anstimmten und einen Ausflug in den Southern Rock unternahmen, als sie das melodische „Jessica“, den Klassiker der Südstaaten-Band Allman Brothers, gefühlvoll coverten.
Erst danach spielte die schwedischen Gitarrenhelden ihren typischen, optimistischen „Twang-Sound“, der sie vor 50 Jahren weltberühmt machte. Allen voran Bandgründer Bo Winberg, inzwischen 72, und Bob Lander, 69, zauberten aus ihren Gitarren diesen seltsamen, klangreinen, glockenhellen wie sphärischen Sound aus ihren Gitarren, der Anfang der 1960er Jahre zu ihrem Markenzeichen wurde. Als die Band aus Göteborg ihre blitzschnellen Megahits „Amapolda“, „Johnny Guitar“, „Apache“ und „Orange Blossom Special“ und das romantische „If You Could Read My Mind“ aneinanderreihte, wurde es dann richtig nostalgisch. Da hatte man wieder die historischen „Spotnicks“ aus den frühen Jahren vor Augen und Ohren, die sich nach dem Sputnik, dem ersten russischen Satelliten im Weltall, benannten und weltweit mit absurden Astronauten-Anzügen auftraten.
Musikalische Substanz
Davon ist heute allein die musikalische Substanz geblieben, dieses makellose, punktgenaue Fingerpicking auf der Gitarre, das Mark Knopfler mit seinen Dire Straits Jahre später genial adaptierte. Es war einfach großartig…
Zuvor hatte Zeitgenosse Brian „Likorice“ Lockung (71), 1962 bis 1963 Mitglied der „Shadows“, der Begleitband von Cliff Richard, die Stimmung angeheizt. Auch die „Shadows“ gehörten in den 1960ern wie die „Spotnicks“ und die „Ventures“ zu den Twang-Bands, produzierten diese eigenartigen, lupenreinen Gitarrenklänge, die so gut zum beginnenden Weltraumzeitalter passten. Diesen Sound reproduzierte der gut gelaunte Brite, bot aber auch Rhythm ‘n’ Blues, zupfte sparsam seinen Bass, blies kraftvoll auf seiner Mundharmonika, begleitet von einer exzellenten Band. Mit „Shadows“-Hits wie „Dakota“, „Dance on“, „Foot tapper“ und „Atlantis“ sowie typisch britischem Humor sorgte Locking für beste Laune unter seinen Altersgenossen im Saal. Danach jammte Locking für ein paar Nummern bei der französischen Instrumentalband „Les Starsmen“ aus Nancy mit, die sich ebenfalls stilistisch der Twang-Musik verschrieben haben. Besonders Sologitarrist Alain überzeugte mit seinem präzisen, perlenden Gitarrenspiel.
Nicht nur ein optischer Höhepunkt war die zierliche und langmähnige Gitarristin Zoe McCulloch. Die mit 25 Jahren vergleichsweise junge Waliserin erwarb sich mit Coverversionen der „Shadows“ („The Savage“), Buddy Holly („Heartbeat“) und Hank Williams („Electrical Gas“) in Homberg Sympathien und zahlreiche neue Fans. Nicht zu vergessen „Tommy & The Blue Boys“ aus Dortmund. Sie brachten das Publikum gleich zu Beginn mit Coverversionen der „Beatles“, der „Rolling Stones“ und der „Shadows“ in Fahrt. Fazit: Die Gäste erfreuten sich an fünf Stunden guter, abwechslungsreicher Gitarrenmusik und Partystimmung...