Rheinhausen. . Für eine Bewohnerin des Pflegeheims „Haus am Wasserturm“ ging ein Traum in Erfüllung: Sie bekam Besuch aus der Oper.

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit Waltraud Kriwanek zum letzten Mal in einem Theater war. Die Bewohnerin des Pflegeheimes Haus am Wasserturm ist krank, sie sitzt im Rollstuhl. Der Weg ins Theater ist für sie unmöglich, ihre Leidenschaft für die Opernmusik musste sie aufgeben. Bis zu ihrem 77. Geburtstag. An diesem Tag kam die Oper zu ihr.

Mit feuchten Augen sitzt Waltraud Kriwanek im Gemeinschaftssaal des Hauses und lauscht der sanften Stimme der Sopranistin Margery Hartmann. Sie singt bekannte Operetten-Stücke, wie Gasparones „Dunkelrote Rosen“, klangvoll und mit viel Gefühl präsentiert sie 15 Melodien. Waltraud Kriwanek freut sich über jede einzelne. Es sei eines der schönsten Geschenke, die sie je bekommen habe, sagt die 77-Jährige nach dem Auftritt.

„Als junge Frau bin ich gerne in die Oper gegangen“, erzählt Kriwanek, einmal habe sie vor Freude geweint. „Ein anderes Mal war ich so müde, da habe ich angefangen zu schnarchen. Da meinte ein älterer Herr zu mir, ich solle demnächst lieber ausschlafen.“ Als Kriwanek Mutter wurde, hatte sie keine Zeit mehr für die Oper. „Wir hatten keinen Baby-Sitter, da gingen die Kinder vor“, erinnert sie sich. „Ich hatte mir vorgenommen, wieder ins Theater zu gehen, wenn ich Rentnerin bin.“ Doch dann wird sie plötzlich krank.

Seit 14 Jahren leidet Kriwanek an der Parkinson-Krankheit. Während sie erzählt, zittern ihre Hände. Ihre Stimme aber ist deutlich und stark. „Es hat mir sehr gut gefallen“, sagt sie. „Die Dame hatte eine tolle Stimme.“ Verantwortlich für den Besuch aus der Oper ist Heimleiter Helmut Becker, er lud die Sopranistin ein. Er betreibt Biografiearbeit, arbeitet gemeinsam mit den Bewohnern deren Vergangenheit auf. „Da erzählte sie von ihrer Leidenschaft“, sagt Becker.

Für Sängerin Margery Hartmann war es nicht der erste Auftritt in einem Pflegeheim. „Ältere Menschen können aus gesundheitlichen Gründen oft nicht mehr ins Theater“, sagt die diplomierte Sopranistin. „Aber es wäre schade, wenn sie auf die Musik verzichten müssen.“ Denn gerade die Musik bewirke oft Wunder, erzählt Hartmann. Einmal habe sie vor einer schwer Demenzerkrankten gesungen. „Währenddessen war ihr die Krankheit nicht anzumerken. Nach dem Auftritt kam sie zu mir, hat mich umarmt.“

Die Leidenschaft für Opernlieder teilt Waltraud Kriwanek mit vielen anderen Bewohnern. Nur ihre Nichte habe nicht bleiben wollen. „Sie meinte, Mensch, Tante Waltraud, das ist doch nicht unsere Musik“, sagt Kriwanek. „Das verstehe ich. Aber für mich ging heute ein Traum in Erfüllung.“