Familie Verhülsdonk hat schon vierte Austauschschülerin zu Gast, diesmal aus Thailand. Die eigene Tochter war in den USA.

Bei Verhülsdonks in Asterlagen-Winkelhausen ist immer was los. Denn neben Vater Manfred, Mutter Anne und der 17-jährigen Tochter Ina war die letzten zwei Jahre fast ständig Besuch im Haus. Mal aus Italien, mal aus Frankreich, mal aus den USA und seit zwei Monaten aus Thailand. Die Verhülsdonks sind im niederrheinischen Komitee der Jugendaustausch-Organisation „American Field Service“ (AFS) aktiv und stellen ihr Haus regelmäßig Austausch-Teilnehmern zur Verfügung. Zur Zeit hat Ina - die ihrerseits gerade zehn Monate in der US-Kleinstadt Flushing/Michigan zwischen Chicago und Detroit, nahe der Großen Seen, verbracht hat - eine Altersgenossin im Haus: Kanittha Kaewonga, ebenfalls 17, aus der thailändischen Hauptstadt Bangkok.

Die tauscht ihren Platz in der 11. Klasse für zehn Monate mit einem in Inas Jahrgangsstufe, der Zwölften am Rheinhauser Krupp Gymnasium. Dem Unterricht auf Deutsch zu folgen, fällt ihr noch etwas schwer, gibt sie zu. Ihr Englisch ist deutlich sicherer als ihr Deutsch. Um das aufzubessern, ist sie nach Rheinhausen gekommen. Und neben dem alltäglichen Training in Schule, Familie und Freizeit gibt es einmal in der Woche von der Austauschorganisation speziellen Deutschunterricht. Für die Uni könne das alles nicht schaden, findet sie - auch wenn sie noch nicht sicher ist, welches Studienfach es werden soll und ob sie zu Hause wirklich das versäumte Jahr überspringt und in den Abschlussjahrgang geht.

Highschool-Zeugnis

Ina hat sich fürs Überspringen entschieden. „Leicht ist das nicht; ich habe schon einiges aufzuholen“, räumt sie ein. „An der Highschool war der Lernstand weniger weit als bei uns.“ Und das, obwohl die Zwölf in den USA der Abschlussjahrgang ist. Deshalb hat Ina auch ein Zertifikat und durfte an der Abschlusszeremonie teilnehmen. Einen gültigen Highschool-Abschluss hat sie freilich nicht: „Für den hätte ich auch die Punkte aus den wichtigen Tests in der elften Klasse gebraucht.“

Diese Tests waren auch der Grund, weshalb Ina in den Staaten eine Klasse höher eingeschult wurde: „Die sind noch härter und wichtiger als die eigentliche Abschlussprüfung. Deshalb kommen Elftklässler, je nach dem, wo sie vom Alter näher dran sind, in die Zehn oder in die Zwölf.“

Dieses Problem stellt sich bei Kanittha nicht: Ihre Mitschüler in Jahrgangsstufe Zwölf sammeln zwar bereits fleißig Punkte für die Abiturnote, aber richtig rund geht’s erst nächstes Schuljahr. Denn der Jahrgang von Kanittha und Ina ist der letzte, der an Nordrhein-Westfälischen Gymnasien noch (mindestens) 13 Jahre Zeit fürs Abitur hatte.

Speziellen Englischunterricht gab’s für die deutschen Austausch-Teilnehmer in den USA übrigens nicht. Gute Kenntnisse der Weltsprache Englisch setzt AFS voraus - und überprüft sie vorsichtshalber mit einem Test. Der war für Leistungskursschülerin Ina aber kein Problem.

Kontakt nach Hause halten, beziehungsweise hielten beide Austauschschülerinnen vor allem über das Internet. „Zu Geburtstagen oder zu Weihnachten“, erzählt Ina, „haben wir auch mal telefoniert. Aber das meiste lief über Facebook.“ Das nutzt auch Kanittha, die deshalb weiß, dass ihre Familie wohlauf ist.

Keine Selbstverständlichkeit angesichts der schweren Überschwemmungen, die ihre Heimatstadt gerade heimgesucht haben. „Aber es ist nur ein wenig Wasser im neuen Haus, das die Familie noch nicht bezogen hat.“

Familie trotz Flut wohlauf

Ihr Eindruck von Deutschland? „Es ist viel ordentlicher, organisierter als zu Hause. Allein dass die Busse so pünktlich fahren, war für mich neu. Aber die Menschen sind weniger offen als zu Hause.“ Gesehen hat sie von ihrem Gastland bislang außer Duisburg - das ihr vorher kein Begriff war - Düsseldorf, Frankfurt, den Bottroper Movie Park und das Rheinstädtchen Zons. Auf dem Plan stehen noch Ausflüge nach Köln, Berlin, Bremen - und natürlich zum Schloss Neuschwanstein.

Vom Schlachtfeld zum Kulturaustausch

American Field Service, kurz AFS, wurde im 1. und 2. Weltkrieg als Hilfsorganisation von freiwilligen Sanitätswagenfahrern gegründet. In den folgenden 60 Jahren wurde daraus eine globale Kulturaustausch-Organisation, und zwar eine der größten und ältesten weltweit. Der deutsche Ableger AFS Interkulturelle Begegnungen e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Die Arbeit vor Ort liegt in den Händen regionaler Komitees. Um Duisburg (sowie Dinslaken, Voerde und Hünxe) kümmert sich das Komitee „Rechter Niederrhein“. ASF schreibt sich die „besonders intensive Betreuung der Programmteilnehmer vor, während und nach dem Austausch“ auf die Fahnen. Neben den Austauschprogrammen für Jugendliche und junge Erwachsene bietet AFS interkulturelles Training in Workshops und Seminaren für Organisationen und Unternehmen an. Außerdem gibt es Lehrerfortbildungen und Unterrichtsmaterialien sowie Lernangebote für Schulklassen. Kontakt zu AFS und weitere Infos gibt es im Netz unter www.afs.de.

Viel Zeit, ihr Gastland kennen zu lernen, hatte Ina: „Dadurch, dass die Sommerferien so viel länger sind als bei uns, hatte ich am Anfang noch mal drei Wochen frei und konnte mir zum Beispiel ausgiebig die Hauptstadt Washington DC angucken.“ Und zwischen Abschlussfest und Abreise lagen noch mal Ferien.

Jetzt hat der deutsche Lernstress sie wieder. Und die Motivation, reichlich Punkte zu sammeln, ist stärker denn je, denn dank das Austauschjahres steht ihr Studienwunsch: Eigentlich wollte sie in die Medienbranche. „Aber dann habe ich an meiner Highschool eine sehr engagierte Kunstlehrerin kennen gelernt, die mir viel beigebracht und gezeigt hat.“ Mit dem Ergebnis, dass sie jetzt ein Modedesign-Studium anstrebt. Genug Sprachpraxis, um sich auf Messen und Modeschauen in New York oder LA zurecht zu finden, hat sie ja.