Ouddorp. .

Hausbootfahren in Holland - viel Gelassenheit, etwas Mumm und ein guter Lehrer machen’s möglich. Denn: Holländer sehen manches nicht so eng. Jedermann darf dort, anders als hierzulande, Boote bis zu 15 Metern Länge fahren.

Ohne Bürokratie und Führerschein. Ob das so einfach ist? Die „Waternimf“ ist 8,30 Meter lang, ein Hausboot und steht im Marina Port Zelande am Grevelingenmeer. Ein schnuckeliger kleiner Kahn, perfekt für einen Versuch. Neben seinen Nachbarn mutet das Nymphchen mickerig an. Die Marina Port Zelande am Grevelingenmeer ist ein Hafen vieler Reicher und auch mancher Schöner mit entsprechendem Gefährt. Aber wir mögen unser Bötchen.

Mehr Geld als Verstand

Es ist ein komfortabler, moderner Hafen ohne Kuschelfaktor. Etliche Motorjachten haben den Gegenwert eines Einfamilienhauses, an diesen Stegen liegen Millionen vertäut. „Die meisten von ihnen fahren nicht“ bedauert Petra, Mitarbeiterin des Yachtvercharterers. Nur geschätzt 30 Prozent der Boote werden bewegt – meist sind es die bescheideneren. Nicht alle Großen dienen als schwimmendes Ferienhaus, aber viele. „Vaarinstructeur“ Hans Pols weiß, warum das so ist. „Die Leute haben viel Geld, keine Erfahrung und keine Geduld“, sagt der Einweiser (64), der kommt, wenn’s klemmt, ein Fahrlehrer. „Diese Boote haben zu starke Maschinen für Menschen, die kein Gefühl dafür haben…“ So wird ein leichter Steuerfehler zum kapitalen Versicherungsschaden. Mehr Geld als Verstand - irgendwann bleiben die Eigner dann lieber im Hafen.

Idylle made in Südholland - leider wird es da vorne ganz schnell ganz flach.
Idylle made in Südholland - leider wird es da vorne ganz schnell ganz flach. © JA

Dass uns das mit der „Waternimf“ passieren könnte, steht nicht zu befürchten. Sie ist eher gemütlich, ohnehin gilt auf dem Grevelingenmeer Tempo 15. Trotzdem: Wie bringt man 8,30 Meter heil aus der engen Box durch diese schmale Gasse, um den Hafen zu verlassen? Was, wenn uns wer entgegenkommt? Und draußen - das Grevelingenmeer hat Untiefen, perfekt um aufzulaufen und sich zu blamieren. Es gibt Verkehr, es gibt bunte Tonnen, die Kundigen etwas signalisieren. Wer weicht wem aus? Wenigstens die Kunst des Knotens beherrschen wir. Sie sichert einen guten Schlaf - im Bewusstsein, dort aufzuwachen, wo wir eingedöst sind.

„Es ist ganz einfach“, beruhigt Hans, offenbar von Natur aus tiefenentspannt. Er übernimmt die Einweisung für Landratten. In den folgenden drei Stunden landen Notizen auf dem Block, die sich so lesen: „Steuerbord ablegen: Ruder backbord in den roten Bereich, Gas voraus, bis die letzte Leine noch steht, dann Gas raus. Kommando „Leinen los!“, Bugstrahlruder backbord, Ruder steuerbord und los...“ Erstaunlich, es klappt. Immer und immer wieder dreht der Holländer, der seit seinem fünften Lebensjahr segelt, mit den Neulingen enge Wendungen im Hafen. „Nur ein bisschen Gas....“ „Es muss Spaß machen“, sagt er. Das geht nur ohne Stress. Nach der gründlichen Einweisung sind wir erschöpft, stolz - und ein wenig verzagt. Einsteigen und los - das mag auf den Grachten funktionieren. Hier sicher nicht.

Kneifen gilt nicht. Mit neuem Mut und einer leichten Brise, legen wir morgens ab. Ohne Zwischenfall, ohne Aufsehen. 90 Zentimeter Tiefgang hat das Boot, die Karte zeigt, wo wir damit fahren können. Vorausgesetzt, wir finden unsere Position heraus. Auf dem Wasser sieht vieles ähnlich aus. Nur eines nicht: Die Tonnen (Bojen) sind nummeriert. Und diese Zahlen finden sich auf der Karte wieder - bingo.

Unser Nymphchen nach dem Abenteuer - ganz ohne Schramme.
Unser Nymphchen nach dem Abenteuer - ganz ohne Schramme. © JA

Den Himmel im Blick

Strahlend weichen wir jedem Gefährt aus, das uns nahe kommt. Zu verwirrend die Vorfahrtsregeln: backbord vor steuerbord , Lee vor Luv und Segler vor Motorbooten, es sei denn.... und sowieso: der Klügere gibt nach. Beim Bootsverleiher liegen 900 Euro Kaution. Wir weichen aus.

Eineinhalb Stunden Spaß und Konzentration auf Tonnen, Tiefen und Segler. Bloß auf den Himmel haben wir nicht geschaut. Da kann ja nichts passieren, hat der Hafenmeister gesagt. Wenig Wind, hat er gesagt. Jetzt ist es grau über dem Grevelingenmeer und es schaukelt übel. „Halt mal still, ich kann die Zahlen nicht lesen...“.

Leichte Beunruhigung schleicht sich ein. Bordhund Hanni guckt arm, ihr wird das letzte Leckerli zur Last. Es spritzt, schaukelt, quer zu den Wellen geht gar nichts. Hinterher heißt es, es seien vier bis fünf Windstärken gewesen. Irgendwie macht das Abenteuer gerade deshalb Spaß.

Wir erreichen den Hafen, der sich allmählich füllt. Im dritten Anlauf, nach diversen Warteschleifen - Hans sei Dank - treffen wir die Box. Der Wind hat unser Nymphchen immer wieder vom rechten Kurs gedrückt. Aber sie sind freundlich, diese Yachties: Rundherum stehen sie auf ihren Booten, lächeln, machen aufmunternde Gesten, rufen Tipps. Einer davon ist Gold wert: „Mehr Gas!!!“

Es wird ein nächstes Mal geben. Dann nehmen wir uns eine ganze Woche Zeit. Und dann klappt’s beim ersten Anlauf in die Box. Ganz bestimmt.

Weitere Informationen: www.niederlande.de/wassersport