Duisburg. .

„Die Paketboten haben immer noch ihre Schwierigkeiten, und Pizza bestellen geht gar nicht“, sagt Barbara Biella, die seit Januar eine neue Adresse hat.

Umgezogen ist sie nicht. Aber die Straße am Wohn- und Atelierhaus des Rheinhauser Künstlers Volkram Anton Scharf, das sie und Ehemann Herbert vor sieben Jahren bezogen hatten, ist nicht mehr Teil des Paschackers, sondern nach seinem berühmten Ex-Bewohner benannt. Die Biellas wohnen seit diesem Jahr am Volkram-Anton-Scharf-Weg.

Mit viel Stress verknüpft

„Genau das ist der Grund, weshalb wir in Duisburg normalerweise keine Straßen umbenennen“, weiß Andreas Schulz vom Bauamt. „Es ist für die Anlieger einfach mit zu viel Stress verbunden.“ Und auch für seine Dienststelle ist der Aufwand enorm: „Am meisten fällt im Vorfeld an. Da muss überprüft werden, ob der vorgeschlagene Namenspatron tatsächlich schon tot ist - nach lebenden Personen darf keine Straße benannt werden - ob er die notwendige Bedeutung für den Ort hat, und natürlich, ob er nicht doch in irgendeiner Weise ,Dreck am Stecken’ hatte.“

Wenn dann die zuständigen politischen Gremien - in der Regel die Bezirksvertretung - der Umbenennung zustimmen, müssen Kataster, Flurkarten und offizielle Stadtpläne überarbeitet, Grundbuchamt, Finanzamt, Stadtwerke, Polizei und Feuerwehr informiert werden. Auch an Privatfirmen gehen Infos, etwa an die Post oder die Hersteller von Navigations-Software und Stadtplänen. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie nicht schon vorher aus den Medien Bescheid wissen, müssen natürlich die Anwohner informiert werden.

Dieser Rattenschwanz ist laut Schulz ein Grund, warum in Duisburg immer noch so viele Straßennamen doppelt, dreifach oder öfter vorkommen: Fast alle 1974 eingemeindeten Orte hatten ihre Moerser Straße, ihre Goethestraße oder ihre Schulstraße. Unpraktisch, aber Hunderten wenn nicht Tausenden Anliegern dieser Straßen wollte und will man die Umbenennung nicht zumuten.

Persönlich mit neuem
Namen verbunden

Einfacher war es am Volkram-Anton-Scharf-Weg: Die Biellas sind die einzigen Anwohner des für Autos gesperrten Endstückes des Paschackers hinter der Fröbel-Schule. Und sie waren schon aus persönlichen Gründen einverstanden: Beide hatten das Glück, den Meister während ihrer gemeinsamen Schulzeit am Heine-Gymnasium (heute Gesamtschule) als Kunstlehrer zu haben. Herbert Biella ließ sich auch nach der Schule und einem Kunststudium von Scharf ausbilden und ist noch heute als Künstler tätig.

„Das war uns wichtig, niemanden vor den Kopf zu stoßen“, sagt der Ratinger Hobby-Kunsthistoriker Gunnar Schneider-Hartmann. Der Sohn einer mit Scharfs Frau befreundeten Rheinhauserin hatte über Umwege von den Querelen im Duisburger Süden erfahren: Die Huckinger wollten im Neubaugebiet am Angerbogen trotz Empfehlung des damaligen Lehmbruck-Direktors statt einer Scharf-Straße lieber heimische Künstler geehrt wissen - und die Rheinhauser waren eh der Meinung, dass „die da drüben“ ihnen nach der Selbstständigkeit nicht auch noch den Namen des berühmten Sohnes (wenn auch rechtsrheinisch geboren) ,klauen’ sollten.

Kontakt aufgenommen

Schneider Hartmann: „Ich habe dann - 2008 war das, nach über 40 Jahren - wieder Kontakt mit Iduna Schnepf-Scharf aufgenommen. Zusammen haben wir auf die Verantwortlichen eingewirkt, die Straßen-Benennung im Sinne ihres Vaters zu regeln.“ Die wollten nämlich die Straße „An der Trifft“ umbenennen - Behörden-Marathon für die dort bereits wohnenden Häuslebauer inklusive. „Das hätte der Anton nicht gewollt“, ist Schneider-Hartmann sich sicher. „Er war immer sehr bescheiden. Der kleine Weg wäre in seinem Sinn gewesen. Und dass sein Wohn- und Wirkungsort jetzt seinen Namen trägt, hätte ihm gefallen.“

Vor allem, weil Familie Biella sich immer noch über ihre neue Adresse freut. Auch wenn die nach einem halben Jahr immer noch kein Routenplaner findet - und der Pizza-Bote schon gar nicht.