Rheinhausen. .

Einen Tag vor Eröffnung des neuen Marktplatzes in Rheinhausen: Warum von dem gewünschten Konzept „Shared Space“ keine Rede sein kann.

Es ist fast geschafft. Elf statt der geplanten neun Monate war das Rheinhauser Zentrum eine Großbaustelle. Am Mittwoch sollen die Bagger und Bauarbeiter endgültig verschwunden sein. Am 10. November wird der neue Marktplatz eröffnet.

Wer wissen will, warum der Bereich um den Markt jetzt aussieht, wie er aussieht, muss einige Jahre zurückblicken. Es war im April 2007, als der Planungsdezernent Jürgen Dressler die Bezirksvertreter in einen Bus setzte und ins Land der gelben Kennzeichen schickte. Genauer gesagt nach Drachten, in der Provinz Friesland. Die Politiker sollten sich anschauen, wie sich Verkehrsteilnehmer verhalten, wenn es weder Schilder noch eine Rangordnung gibt. Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer, alle sind dort gleichberechtigt.

Immer, wenn fortan in der Bezirksvertretung vom Umbau des Marktplatzes die Rede war, waberte ein Anglizismus wie eine Zauberformel durch den Sitzungssaal: Mit „Shared Space“ könnte auch in Rheinhausen alles besser werden.

Widerspruch
zur Leitidee

Das Konzept mit seiner sinngemäßen Übersetzung eines „gemeinsam genutzten Raumes“ wird längst in aller Welt kopiert. Erfunden hat es der Niederländer Hans Monderman. Um ihn rankt sich auch die Legende, dass er es in Drachten selbst getestet hat. Er soll öfters auf die Kreuzung gelaufen sein – ohne zu gucken und dazu noch rückwärts. Augen zu und durch.

Wer dieses Kunststück in Rheinhausen wagt, muss lebensmüde sein. Zumindest, wer auf die Atroper Straße läuft. Dort gibt es zwar auf der einen Seite keine Bürgersteig-Kante mehr, die Straße sieht dennoch weiterhin aus wie eine Straße. Vor allem, weil auf der anderen Seite ein extra erhöhter Bordstein für den Buseinstieg errichtet wurde. Den Autofahrern wie Fußgängern suggeriert die asphaltierte Fahrbahn zwischen dem Pflaster an beiden Seiten: Hier haben Autos Vorrang. Was aber nicht so ist, weil der komplette Straßenbereich um den Marktplatz als „verkehrsberuhigter Bereich“, im Volksmund besser bekannt als „Spielstraße“, ausgewiesen ist.

Laut Straßenverkehrsordnung dürfen Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen, dürfen den Fahrverkehr aber nicht „unnötig“ behindern. Umgekehrt dürfen Autofahrer die Fußgänger weder gefährden noch behindern, wenn nötig müssen sie warten. Kurios: Sogar Kinderspiele sind überall auf der Fahrbahn erlaubt. Was auf der Atroper Straße allerdings eine Horrorvorstellung wäre.

Denn seit die blauen Schilder stehen, hat sich gezeigt: Fußgänger warten, Autofahrer fahren. Und häufig mit zu hohem Tempo. Es gilt Schrittgeschwindigkeit, deren Definition rechtlich umstritten ist. Die Polizei hat bereits kontrolliert, die ersten Autofahrer durften bereits löhnen.

Die Gestaltung der Atroper Straße widerspricht der Leitidee, die der inzwischen verstorbene Hans Monderman seiner Idee von „Shared Space“ zu Grunde legte: „Der Raum muss den Leuten sagen, wie sie sich verhalten sollen“. Auf der Atroper Straße ist genau das nicht der Fall. Einziger Hinweis ist das blaue Schild am Anfang der Zone.

Besser gelöst hat die Stadt die Umsetzung an der Kreuzung zur Hochemmericher, Krefelder und Duisburger Straße: Hier ist nahezu der komplette Bereich gepflastert und verschafft den Fußgängern die Sicherheit, die sie für die gleichberechtigte Nutzung brauchen.

Erster Auftritt
des OB im Westen

Doch auch hier kränkelt es an klaren Vorgaben: Die asphaltierte Fahrbahn von der Atroper in die Krefelder Straße gleicht einer abknickenden Vorfahrt. Aber auch das wäre ein Irrtum: Laut Experten gibt es in einem verkehrsberuhigtem Bereich keine Vorfahrtsberechtigung.

Warum die Stadt nicht den kompletten Raum um den Markt so gestaltet hat, dass er im Sinne des Erfinders den Leuten sagt, wie sie sich verhalten sollen, wird sie im Detail am Mittwoch erklären. Dann ist Markttag und dann ist in Rheinhausen jede Menge los.

Und wie bei allen Großprojekten, die aus Konjunkturpaket-Millionen umgesetzt wurden, ist auch hier die offizielle Freigabe Chefsache. Die feierliche Eröffnung des Marktplatzes ist der erste öffentliche Auftritt von Oberbürgermeister Adolf Sauerland im Duisburger Westen seit der Loveparade-Tragödie. Dann wird sich zeigen, wie die Rheinhauser auf ihr Stadtoberhaupt reagieren, das sich nach wie vor heftiger Kritik ausgesetzt sieht. Bei der Eröffnung des Hamborner Altmarkts am Dienstag vergangener Woche war unter den zahlreichen Leuten auch ein Dutzend Kritiker, die den OB mit Trillerpfeifen und Buh-Rufen empfingen.

Auch wenn sein umstrittenes Verhalten nichts mit der neuen Verkehrsregelung am Markt zu tun hat, wird er sich aber wohl die gleiche Devise zu Eigen machen.

Augen zu und durch.