Im Wohnzimmer der Familie Schimmel pickte sich Racker in zweistündiger Arbeit aus ihrem Ei - vor anderthalb Jahren.

Die zweistündige Geburtsprozedur des Nandu, einer südamerikanischen Laufvogelart, hielt Marianne Schimmel im Film fest, ein eindruckvolles Dokument über das Wunder der Natur.

Aus dem Nandu-Küken, damals Hühnerjungen ähnlich, ist eine stolze Vertreterin ihrer Art geworden: Langer Hals, treue blaue Augen, gelblich blasser Schnabel, Stelzenbeine mit drei muskulösen Zehen, weißes Federkleid.

Die Liebe zum kleinen Federvieh pflegen Marianne und Heinrich Schimmel schon seit über 20 Jahren. In ihrem Homberger Garten in Rheinnähe ziehen sie Enten, Gänse und Hühner groß - nicht als Schlachtvieh, sondern aus Liebhaberei. Auf Ausstellungen sind die beiden schon mit etlichen Pokalen ausgezeichnet worden.

Ihr neustes Hobby ist die Aufzucht von Nandus, die dem afrikanischen Strauß ähneln, aber nicht verwandt sind. Das Nandu-Ei, über 530 Gramm schwer mit einem Umfang von rund 25 Zentimetern, erhielt Marianne Schimmel vom Sonsbecker Zuchtverein. Zu Hause wurde ein Brutschrank angeschafft, viele Tipps zur Brut entnahm sie dem Internet. Mit einer Schierlampe wurde das Ei durchleuchtet, um die Befruchtung zu bestätigen. Nach 40 Tagen war es soweit.

„Dabei konnte man deutlich von außen beobachten, wie sich das kleine Ding mit Schnabel, Körper und Zehen gegen die Eiwand presste und die zum Platzen brachte. Ich habe erst gedacht, was ist mir denn da in der Küche kaputt gegangen, bevor ich das Geräusch mit dem Nandu in Verbindung brachte.“

Von da an hatte die von Racker, einem Weibchen, als Mutter angesehene Marianne Schimmel keine ruhige Minute mehr. „Ich musste ständig bei ihr sein, sonst fing sie an zu heulen. Das war so ein hoher fiepender Ton.“

Als Racker ein paar Wochen später nach draußen zum anderen Geflügel kam, hatte die Adoptivmutter eine zündende Idee: „Ich habe der Kleinen eine Art Nanny verpasst. Das war das Oberteil eine Schaufensterpuppe, die hatte ein menschlich wirkendes Gesicht.“ Racker akzeptierte diese „Betreuung“ sofort.

Später gesellte sich der jetzt sechs Monate alte Lumpi zu Racker. Auch der gedeihte im Brutschrank der Schimmels, bis er die Eischale durchbrach. „Die beiden verstehen sich bestens, streiten sich nie um das Futter.“

Was ein Nandu in der freien Natur drauf hat, zeigt sich bei Laufspielen, die Marianne Schimmel mit den beiden oft macht. „Das ist eine lustige Jagd. Dann schlagen sie Haken, richten wechselweise die Flügel um und toben sich richtig aus.“ In der freien Wildbahn rettet die Zickzackflucht den Nandus meist das Leben.

„Oft sitze ich im Garten auf dem Stuhl, ob mit Sonnenschirm, ob mit Regenschirm und einer Flasche Wasser und beobachte die Tiere.“ Das Hobby ist auf die Dauer nicht billig: „Ein Nandu frisst täglich fast soviel wie ein Schwein.“

Kieselsteine
im Bauch

Das Futter besteht aus Körnern, Gräsern, Blättern, Apfelstücken, aber auch aus Weißbrot und Walnüssen: „Über ein halbes Brot pro Tier muss jeden Tag verfüttert werden.“

Manchmal schluckt Racker Riesenbrocken herunter, die dann länger brauchen, ehe sie im Hals runterrutschen. „Das kann man von außen gut sehen.“ Auch dicke Kieselsteine schlucken die Nandus gerne: „Damit zermahlen sie im Magen ihre Nahrung. Nandus haben nämlich keine Zähne.“

Kälteempfindlich sind Nandus nicht: „Den letzten Winter hat die Racker gut in ihrem überdachten Unterstellplatz überstanden. Aber sie darf nicht nass werden und keinen Windzug bekommen.“ Eine bakterielle Infektion fing sich Racker schon ein: „Da hat sie drei Tage nichts gefressen. Ich hatte Wasser in den Augen, ich dachte sie geht mir kaputt. Aber das Medikament vom Tierarzt hat schnell geholfen.“ Bevor Marianne Schimmel und ihr Mann dem Tier die Arznei einflößen konnten, landeten sie erst einmal auf ihren vier Buchstaben - so heftig war Rackers Gegenwehr.