Duisburg-Rheinhausen. Die Duisburger Kinder- und Jugendbühne Bahtalo wird 2023 zehn Jahre alt. Trotz vieler Erfolge war die Anfangszeit für das Theater nicht leicht.
Es ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. In nur zehn Jahren hat die Internationale Kinder- und Jugendbühne Bahtalo den alternativen Schulpreis gewonnen, den Nachbarschaftspreis ergattert und auch den Heimatpreis in die Green-Gesamtschule oder das KOM´MA Theater geholt. Beide Standorte sind unabdingbar für den Verein, der für viele Jungen und Mädchen aus schwierigen Verhältnissen zu einem sicheren und geborgenen Zuhause und zu einer Familie geworden ist.
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„Ich kann mir ein Leben ohne Bahtalo nicht vorstellen, die Bühne und all die Menschen werden immer eine Rolle in meinem Leben spielen“, sagt Amos Diyimbu. Amos ist Schülersprecher der Green-Gesamtschule, begeisterter Klavierspieler, macht demnächst Abitur und will Jura studieren. Was klingt wie eine behütete Akademikerkindheit im schicken Vorort, begann eigentlich erst vor sieben Jahren. Denn damals ist Amos aus dem Kongo geflüchtet und stand mit seiner Familie vor dem Nichts. Wie so viele andere, die froh sind, dem Terror im eigenen Landes entkommen zu sein und dann erkennen müssen, dass die Möglichkeiten im neuen Land recht limitiert sind.
Rheinhausener Theatertruppe Bahtalo gibt Mitgliedern Hoffnung und Mut
Doch dann entdeckten Amos und seine Familie durch die Green-Gesamtschule die lokale Theatertruppe, fassten Vertrauen und fanden im Rahmen von Musik, Theater und Gesang, Mut und Hoffnung für eine stabile Zukunft. Dank der Hilfe derjenigen, die Ausgrenzung, Rassismus und Hass nicht tolerieren und sich vor zehn Jahren diesem Klima aktiv entgegengestellt haben. Denn die Anfänge von Bahtalo waren alles andere als gemütlich. „Damals waren viele Roma in das Hochhaus in den Peschen gezogen und es gab massive Probleme. Jeden Tag kam die Polizei, es wurden Razzien durchgeführt und die ganze Situation eskalierte jeden Tag mehr“, erzählt Anil Ozalp, der seit Beginn bei Bahtalo mit dabei ist und schon viele schöne Rollen verkörpert hat.
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Der 18-Jährige erinnert sich vor allem deswegen so gut daran, weil seiner Mutter damals quasi der Kragen geplatzt ist und sie als Vertreterin des Allerwelt-Ensembles gemeinsam mit dem Jungen Ensemble Ruhr, Annegret Keller-Steegmann, Martina Seifert und vielen, vielen anderen aus dem Quartier beschlossen hat, etwas zu unternehmen. „Wir haben damals die Kinder jeden Morgen aus dem Haus abgeholt, haben mit ihnen Theater gespielt und sie abends wieder zurückgebracht“, erinnert sich Annegret Keller-Steegmann an diese unruhigen Zeiten. Gespielt und geprobt wurde da, wo gerade Platz war, zumeist in der Lise-Meitner-Schule, an der Annegret Keller-Steegmann unterrichtete, manchmal aber auch einfach nur im Park.
Erstes Konzert der Rheinhauser Theatertruppe war im Mai 2013
Es ging damals einfach darum, den verunsicherten Menschen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, dass es hier Leute gibt, die ihnen helfen, die sich kümmern. „Reden war schwierig, Singen kein Problem“, erinnert sie sich auch an den großen Erfolg des allerersten Konzertes schon im Mai 2013. Es folgten in dem Sommer unterschiedliche Kunst-, Musik- und Theaterworkshops und bei all den positiven Gefühlen und Erlebnissen aufseiten der Organisatoren und der Mitmachenden war dann klar, dass das Projekt weiterlaufen muss. Und das tut es, und zwar so erfolgreich, dass die damals Sieben- oder Achtjährigen heute zu unterschiedlichen Terminen nachmittags mit den kleinen Bahtalo-Kids proben und ihnen das beibringen, was sie selbst als Kinder gelernt haben, und was sie so nachhaltig geprägt hat.
Vor allem ist das das Menschsein und die Tatsache, dass jeder Mensch wichtig ist. Egal, wo er herkommt, wie er spricht, oder wie er aussieht. Der langfristige Erfolg von Bahtalo beruht zusätzlich natürlich auf kluger Netzwerkarbeit und der erfolgreichen Suche nach Unterstützern, denn die gesamte Musikförderung wäre ohne die vielen Kooperationspartner und Sponsoren nicht möglich. Erst jüngst hat die Liz-Mohn-Kultur- und Musikstiftung ihre Unterstützung zugesagt, was zusätzlich zum Geldsegen auch noch ein fachlicher Ritterschlag ist, denn die Stiftung gehört zu den renommiertesten Musikmäzenen in Deutschland.
Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein beim Geburtstagskind: „Wir haben gerade massive Raumprobleme, denn wir werden immer mehr, aber gleichzeitig können wir immer weniger Räumlichkeiten nutzen. Die Aula der Green-Gesamtschule wird renoviert, die Turnhalle ist dicht, und natürlich können wir nicht uneingeschränkt im Theater proben“, schildert Keller-Steegmann die aktuelle Situation. Wie sich das auflösen kann, ist noch völlig unklar, doch wenn eine Gruppe vom Menschen eine Lösung finden kann, dann bestimmt Bahtalo.