Rheinhausen. Ein Solidaritätskonzert für den Arbeitskampf der Kruppianer machte den Punk in Rheinhausen populär. Ein Verein hält ihn bis heute dort lebendig.
Die Hamburger Band Tocotronic sang einmal „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“. Dass man aber auch noch mit Ü50 so ein Teil einer Jugendbewegung sein kann, das erleben gerade die Macher des Rheinhauser Vereins Westside e. V.. Denn am Samstag (10. September) veranstalten sie bereits ihr fünftes Westside-Festival mit alternativer Musik im Volkspark – auch für die junge Generation.
Aufruhr-Festival im Krupp-Stahlwerk Rheinhausen war ein Erweckungserlebnis
Die Mitglieder des Vereinsvorstands haben ihre musikalische Sozialisation in den 80er- und 90er-Jahre erfahren, als der Punk seinen Zenit gerade in der Arbeiterstadt Rheinhausen erlebt hatte. „Ich erinnere mich noch an das Aufruhr-Festival im Krupp-Stahlwerk, als die Toten Hosen dort spielten. Das war für mich sowas wie ein Erweckungserlebnis“, sagt Ingo Fucking, einer der vier Vorstandsmitglieder von „Westside“. Viele Punk-Bands solidarisierten sich mit der Kruppschen Arbeiterschaft in dieser Zeit, die Punk-Ikonen Nina Hagen und Rio Reiser gaben ein Konzert im Krupp-Gymnasium.
Punk wurde für Rheinhauser zur Lebenseinstellung
Punk wurde zur Lebenseinstellung. „Ich habe damals selbst angefangen, Musik zu machen“, sagt Fucking und gründete die auch heute noch existierende Band Triple J. Die Zeiten waren wild: „In den späten 80er-Jahren gab es im Duisburger Westen und am linken Niederrhein einige Bands, die gemeinsam Auftrittsmöglichkeiten suchten“, ergänzt Dirk Ignatovic. Verschiedene Bands alternativer Musik, wie z. B. The Cokeras, Triple J, Erledigt oder Chicken Riot schlossen sich Anfang der 90er-Jahre zusammen, um Konzerte zu organisieren und gemeinsam zu spielen. „Die Nachfrage war einfach da, wir wollten den Leuten zeigen, dass nicht nur bekannte Alternativ-Bands existierten, sondern es auch handgemachte Musik im eigenen Umfeld gibt“, erklärt Ingo Fucking. Unter dem Label „Westside“ veranstaltete diese Musiker-Initiative im Oktober 1996 ihr erstes Festival – und das im denkwürdigen AK 47 an der Kiefernstraße in Düsseldorf.
„Der Name Westside entstand deshalb, weil alle unsere Bands aus dem Westen kamen“, betont Fucking. Weiterhin klapperte man die Örtlichkeiten in der Umgebung ab. „Viele Konzerte und Festivals haben wir im damaligen „Haus der Jugend“ in Rheinhausen machen dürfen“, erinnert er sich. Andere Gigs organisierten sie in anderen Jugendzentren, wie im JZ Area 51 in Bergheim oder im JZ Zuff in Rheinberg. In dieser Zeit entstand auch der erste Sampler – natürlich noch im unausgegorenen Kassettenformat.
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Um die Jahrtausendwende kamen die Open-Air-Konzerte und Partys am Uettelsheimer See dazu. „Das war die Zeit, in der wir ernsthaft darüber nachdachten, einen Verein zu gründen“, lächelt Ingo Fucking. Für einen „Punker“ eigentlich ein No-Go, so ein Verein. Doch am 26. Oktober 2003 fand in einer Moerser Kneipe die konstituierende Sitzung vor etwa 25 Mitgliedern statt. „Wir konnten unsere Aktivitäten somit in einem organisierten Rahmen einfach besser bündeln“, sagt der 50-Jährige, „unser Ziel war es einen eigenen Tonträger mit allen Bands, die bei unseren Konzerten gespielt haben, professionell zu produzieren.“
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Das gelang auch, mit den Mitteln aus Eintrittsgeldern und Mitgliedsbeiträgen fertigten sie in Eigenregie 2006 den ersten Westside-Sampler unter dem Logo „Rheinhausen Rock City“. Fast 20 Bands aus der Gegend, von den „Dödelhaien“ über „Anastasis“ bis zu den legendären „Pilsköpfen“, haben sich darauf verewigt. Gemeinsame Reisen habe man mit den Mitgliedern veranstaltet, ein zweiter Sampler erschien 2013 zum zehnjährigen Bestehen von „Westside“ , wieder mit knapp 20 selbstproduzierten Songs von Bands aus der Region und einem dazugehörenden Release-Konzert. Zum 20-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr stehe wieder eine CD-Produktion an.
Verein Westside aus Rheinhausen ist mit der Zeit gewachsen
Im Vorstand ist Ingo Fucking für den organisatorischen Überbau verantwortlich, Dirk Handel übernimmt das Booking der Musikgruppen für die Konzerte und Dirk Ignatovic und Michael Märtens sind für die Finanzen zuständig, wobei sich letztgenannter noch um die GEMA-Fragen kümmert. Die Verantwortlichen von „Westside“ beteuern: „Wir sind mit der Zeit gewachsen.“ Nicht nur im Mitgliederbereich, in dem sie auf fast 50 Aktive, die gerne auch anpacken bei den Konzerten, verweisen können – auch im Hinblick auf die gut angelaufene Reihe der Open-Air-Konzerte im Rheinhauser Volkspark unter dem Logo „Westside im Park“, bei denen schon 300 Besucher gezählt wurden. Das bereits fünfte Festival geht am kommenden Wochenende über die Bühne – und vielleicht ist ein Teil dieser Jugendbewegung, der alten und der neuen, wieder mit dabei.
>>> Westside im Park 5. Auflage <<<
Am Samstag, 10. September, findet ab 15 Uhr das „Westside im Park 5“ mit alternativer Musik am Konzertpavillon im Rheinhauser Volkspark an der Gartenstraße statt. Mit dabei sind dieses Mal die Bands Hersham Boys, Kreftich, Sinnfrei und Duo Oldrick & Fisch. Der Eintritt ist frei, der Hut geht herum.