Duisburg-Homberg. Die ernste Komödie punktete in der Glückauf-Halle in Duisburg durch ein spielfreudiges Ensemble. Glücklicherweise ganz ohne Schenkelklopfer.
Verschwunden. Ausgelöscht. Abhandengekommen. Elf Jahre, 4000 Tage. Einfach weg. George W. Busch ist Präsident, vegane Lebensmittel eher Ausnahme als massentauglicher Trend. Für Michael ist es das Jahr 2009. Drei Wochen Koma haben es geschafft, die Erinnerungen an die vergangenen elf Jahre zu vernichten. Trump, Thunberg und Tsunami-Katastrophen haben in seinem Gedächtnis ausgedient. Neustart.
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„4000 Tage“ heißt die Komödie, die am Dienstagabend über die Bühne der Homberger Glückauf-Halle in Duisburg ging – leider nur vor einem überschaubaren Publikum. Gerde mal 50 Leute haben im Zuschauerraum Platz genommen. Schade, angesichts des spielfreudigen Ensembles, das die Geschichte rund um Sohn, Lebenspartner und Mutter beeindruckend vorantrieb. Aber von vorn.
Theater in Homberg: Mona Seefried als einnehmende Mutter
Bevor Michael aus seinem Koma erwacht, entfacht ein Kampf um den besten Platz am Krankenbett. Da ist Paul, Michaels Lebenspartner, der Tag und Nacht im Krankenzimmer ausharrt. Dort begegnet er zwangsläufig immer wieder Carola, Michaels Mutter. Ein einnehmender Charakter. Sie hasst Paul, auch wenn sie es nie so sagen würde. Es ist viel mehr ihre Art, die immer wieder verdeutlicht: Du bist nicht gut für meinen Sohn. Du bist hier nicht erwünscht. Du hast sein Leben verpfuscht.
Nicht etwa, weil Paul homosexuell ist. Es ist seine Mittelmäßigkeit, die Art, wie er ihren Sohn ins Unglück stürzte, die Carola sauer aufstößt. Mona Seefried spielt die Mutter mit viel Enthusiasmus. Wie die Tante am Kaffeetisch, die niemand da haben will, die aber dennoch immer dabei ist. Ihr Gegenspieler Paul (überzeugend bemitleidenswert: Mathias Herrmann)) kommt da zunächst nur schwer gegen an. Er siezt sie, hält bewusst den Abstand. Es ist die Enge des Krankenzimmers, die eine Konfrontation der beiden Kontrahenten automatisch herbeiführt.
Komödie in Duisburg verzichtet auf Schenkelklopfer
Just in dem Moment, als Michael (mit viel Spielfreude: Matthias Happach) aus seinem Koma erwacht, sieht Carola die große Chance: Paul kommt in Michaels Erinnerungen nicht mehr vor. Verschwunden ist die Zeit, als er seinen Künstlerberuf auf Pauls Druck aufgab, um einen spießigen Job bei einer Versicherung anzunehmen – „das hätte ich doch nie getan“, sagt er entsetzt. Die Mutter freut’s, dem Lebenspartner versetzt es einen Stich nach dem anderen, der Patient ist über sein eigenes Verhalten verwirrt.
Ein Kampf um die Deutungshoheit beginnt. Carola und Paul buhlen um Michaels Aufmerksamkeit. Das ist zwar teilweise sehr bedrückend, aber durchgehend unterhaltsam. Wenn der frühere Künstler in Michael wieder erwacht, er sein Krankenzimmer, das „Vorzimmer zur Hölle“, wie er sagt, mit unschlagbarer Begeisterung in eine Kunstausstellung verwandelt, dann macht es Spaß ihm zuzusehen. Das Stück des britischen Dramatikers Peter Quilter verdient den Hinweis „ernste Komödie“, Schenkelklopfer sucht man hier glücklicherweise vergeblich.
Freigeist und Mutterliebling oder Bodenständigkeit und die Liebe zu Paul: Es ist ein emotionaler Kampf, den die drei Akteure in rund zwei Stunden austragen. Bis zum Happy End? Wohlwollender Applaus aus dem Publikum.