Duisburg-Homberg. Die Düsseldorfer Agentur „Küss den Frosch“ macht aus der Rheinkirche in Duisburg Homberg ein Kolumbarium. Ein Besuch auf der Baustelle.
Diesen Moment wird Pfarrer Matthias Immer nicht vergessen: Als er am 20. November 2016 den letzten Gottesdienst in der evangelischen Rheinkirche gehalten hat, da wurde ganz zum Schluss die Bibel vom Abendmahltisch genommen und feierlich nach draußen getragen. „Das war ein wirklich sehr bewegender Augenblick für unsere Gemeinde.“ Es war der Abschied von der alten Dame Rheinkirche, die seit 1895 die Gläubigen unter ihrem markanten Dach beherbergt hatte. Und es war ein wehmütiger Aufbruch in das neu gebaute Haus der Gemeinde, denn die Zukunft der denkmalgeschützten Kirche, die man aus finanziellen Gründen verlassen musste, war damals noch ungewiss.
Wer möchte schon ein Gotteshaus kaufen, an dem der Zahn der Zeit so übel genagt hat, dass die Sanierung ein Vermögen kostet? Andreas Knapp lächelt. Ja, er wollte! Der 56-Jährige hat sich 2018 einen weiteren beruflichen Traum erfüllt und die Rheinkirche gekauft. Jetzt steht ehttps://www.nrz.de/staedte/duisburg/west/duesseldorfer-architekten-duo-kauft-homberger-rheinkirche-id213225255.htmlr da, vor dem Kirchenportal, und sieht so aus, als ob er das Gebäude umarmen möchte. Der Architekt ist Chef der Düsseldorfer Häuserwachküssgesellschaft „Küss den Frosch“ und er hat mit der Homberger Kirche ein neues altes Schätzchen in seiner bunten Sammlung.
Kloster, Bunker, Fabriken – Andreas Knapp und sein Team hauchen Gemäuern mit Geschichte neues Leben ein. Das ist nicht nur für die Düsseldorfer ein Gewinn. „Für uns ist das ein Sechser im Lotto“, sagt Pfarrer Matthias Immer über den neuen Besitzer und sein Vorhaben, aus der Rheinkirche ein Kolumbarium zu machen. „Das ist ein großes Glück, dass es auf diesem Wege gelingt, das Gebäude zu erhalten“, freut sich Immer. Die Pläne der Häuserwachküsser, die die Kirche nur ganz behutsam verändern wollen, haben den Pfarrer überzeugt: „Das wird ein sehr guter Ort!“
Seit acht Monaten wird gebaut
Dass der Projektentwickler keiner ist, der Luftschlösser baut, das können die Homberger seit acht Monaten sehen. Es tut sich was an und in der Rheinkirche. Während die Handwerker draußen mit beeindruckender Geschwindigkeit dicke Balken mit dem Kran auf das marode Dach hieven, freuen sich Andres Knapp und Stefan Schuster, der zukünftige Geschäftsführer des Kolumbariums, drinnen über die Fortschritte. „Ich mag die Ruppigkeit dieser Fundamente“, sagt Knapp und streicht mit der Hand über einen Betonsockel, der kürzlich fertig geworden ist.
Noch ist die Kirche eine Baustelle und es ist schwer vorstellbar, dass hier Ende des Jahres alles fertig sein soll. Knapp zieht eine Hochglanzbroschüre im DIN A4-Format aus einem Jutebeutel. Hier hat er seine Vision des Homberger Kolumbariums zu Papier gebracht. Regalsysteme aus Eichenholz sollen bis zu neun Meter hoch in den Kirchenraum ragen. Sie werden Raum für bis zu 3000 Urnen bieten, die in kleinen Kammern jeweils von einer Platte abgeschirmt werden. So, dass auch noch einige persönliche Dinge bei der Urne Platz finden können. Angeordnet werden die imposanten hölzernen Aufbewahrungen in sechs großen Nischen sein, die den Trauernden einen Rückzugsort bieten.
Trauernde können Schwimmkerzen im Wasserbecken auf die Reise schicken
Die Beleuchtung soll eine tragende Rolle im neuen Inneren der Rheinkirche spielen. 200 würfelförmige Lichter, der Architekt nennt sie „Leuchtkuben“, spiegeln die Farben der Fenster wider. Ein Ensemble aus bodenständigen Materialien wie Holz und Beton und der luftigen Leichtigkeit des Lichts, das sich auch zwischen den Eichenstäben seinen Weg bahnen kann, schwebt Andreas Knapp vor. Der künftige Kolumbariums-Manager Stefan Schuster bereichert Knapps Formensprache mit Ideen wie dem großen Wasserbecken, in dem die Trauernden schwimmende Kerzen auf die Reise schicken können.
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„Wir wollen die Kirche auf keinen Fall übersanieren. Charme und Seele des Gebäudes werden erhalten bleiben.“ Knapp ist Sohn eines Bergmanns. In Rheinhausen geboren, nach Düsseldorf zum Architekturstudium ausgezogen und jetzt, in seinen Mittfünfzigern, offenbar wieder tiefer verbunden mit seiner alten Heimat im Duisburger Westen. Die Rheinkirche, das ist spürbar, gehört zu seinen beruflichen Herzensprojekten. Auch wenn ihn das Ausmaß des Sanierungsaufwands dann doch überrascht hat. „Das war sehr viel mehr als gedacht. Die Dachbalken waren komplett durchgefault.“ Verkauft wurde die Kirche für einen symbolischen Euro, zwei Millionen für die Sanierung waren damals schon kalkuliert. Bis jetzt, so sagt er, stecken drei Millionen im Homberger Projekt.
Mit einer ausladenden Geste wischt der Architekt und Geschäftsmann die Geldbeträge aus der Luft. Er zeigt uns lieber, was ganz oben unter dem bald neuen Dach passieren soll. Hier, wo sich aktuell noch Freikletterer abseilen, um die alte Holzdecke vom Ballast des kaputten Kirchendachs zu befreien, wird ein Ort für weitere 3000 Urnen geschaffen. Die drei Räume auf der oberen Kirchen-Etage sind für anonymere und damit auch günstigere Bestattungen reserviert. Wer sich für Preise interessiert, muss sich noch gedulden. Die stehen noch nicht fest. Konfessionen werden im Kolumbarium übrigens keine Rolle spielen.
Noch mehr Kirchen zu Kolumbarien machen?
Andreas Knapp und Stefan Schuster haben ihren Rundgang beendet. Der Schlüssel liegt noch ungewohnt in der Hand, er hakt im Kirchenportal. Und nicht nur das ist neu. Es ist überhaupt das erste Mal, dass die Düsseldorfer Häuserwachküssgesellschaft zum Friedhofsbetreiber wird. „Das hätte ich mir vorher auch nicht träumen lassen“, sagt Knapp. Er scheint Gefallen daran gefunden zu haben: „Wenn das hier gut läuft, könnte ich mir noch weitere Kolumbarien vorstellen.“ An Kirchen soll es nicht mangeln. Die bekommt der 56-Jährige aktuell gleich reihenweise angeboten. Er schüttelt den Kopf und lacht. Die eine reicht ihm fürs Erste.
Erste Anfragen für Urnengräber im Kolumbarium gibt es schon, obwohl es noch nicht fertig ist. Jetzt suchen die Betreiber der neu gegründeten Kolumba GmbH erst mal Kontakt zu örtlichen Bestattern. Ansprechpartner ist Stefan Schuster unter info@kolumbarium-rheinkirche.de oder 0171/3293712.
>>> Die Häuserwachküssgesellschaft „Küss den Frosch“:
Seit 2003 kauft die Düsseldorfer Agentur „Küss den Frosch“ außergewöhnliche alte Gebäude. Das Team aus Architekten und Projektentwicklern plant und realisiert den Umbau vom Entwurf bis zur Fertigstellung mit eigenen Mitarbeitern. Zu den aktuellen Projekten gehören neben der Homberger Rheinkirche ein Bunker in Düsseldorf und die alte Polizeiwache in Köln-Ehrenfeld. Mehr Information unter www.kuessdenfrosch.haus.