Duisburg-Reinhausen. Singen und spielen klappt auch virtuell: Das Bildungsforum Rheinhausen hat seine Elternstart-Kurse ins Internet verlegt.
Julian schläft noch. Timo ist grade erst wach geworden. Er sitzt im Hochstuhl und möchte erstmal frühstücken. Eine Mutter hat Probleme mit der Technik, eine andere ist mit ihrer Tochter bei Oma und Opa und hat nur sehr langsames Internet. Aber Lotta ist schon voll dabei. Sie greift nach dem Bildschirm, formt mit ihrem kleinen Mund ein großes Ohhhh und kreischt vor Vergnügen. Ihr Papa hält sie in die Kamera. Er ist eingesprungen, da Mama Linda noch nicht angezogen ist. „Bin gleich da“, ruft sie aus dem Off und erscheint kurz darauf mit nassen Haaren und einem Handtuch-Turban auf dem Kopf. Es kann losgehen.
Der Wahnsinn des Alltags
Claudia Fuest lacht. Seit 34 Jahren gibt sie in Duisburg Kurse für Eltern mit kleinen Kindern, aber das ist neu für sie. Seit der Pandemie muss auch sie sich umstellen auf andere Formen der Begegnung. „Wisst ihr was, ich finde dieses Format hier mit jedem Mal besser. Das ist doch herrlich!“, kommentiert die Kursleiterin des Katholischen Bildungsforums Rheinhausen das charmante Familienchaos, das sich ihr an diesem Dienstagmorgen um 9.30 Uhr beim virtuellen Treffen auf dem Bildschirm bietet.
Willkommen im Leben. Wer selber Mutter oder Vater ist, der weiß, wie gut es gerade am Anfang der neuen Familiensituation tun kann, wenn man mit dem Wahnsinn des Alltags nicht alleine ist. Und genau deshalb sind Angebote wie die Elternstart-Kurse oder das „Prager-Eltern-Kind-Programm“ Pekip so wichtig. Einerseits werden die Kinder in diesen Krabbelgruppen unter Anleitung mit Bewegungsspielen gefördert. Aber noch viel wichtiger ist, dass die Eltern – meist sind es Mütter, die diese Kurse buchen – soziale Kontakte zu Menschen knüpfen können, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.
Frühsport mit Baby
Die Kinder des Elternstartkurses, bei dem wir diesmal zuschauen dürfen, sind alle im Mai oder Juni geboren. Die kleine Gruppe hatte das Glück, dass sie sich wenigstens zu Beginn noch ganz real treffen durfte. Dann kam der Lockdown und die Notlösung des Bildungsforums, auch die Mutter-Kind-Kurse als Online-Treffen weiterzuführen. Und so entdecken Timo, Lotta, Anna, Clara und die anderen jetzt zwar nicht gemeinsam den Kursraum, sondern nur das eigene Wohnzimmer. Aber trotzdem haben ihre Mütter die Möglichkeit, sich wenigstens diese ein- bis eineinhalb Stunden etwas weniger alleine auf dem Planeten Mama zu fühlen.
Claudia Fuest sorgt zum Auftakt erst mal für Schwung, der nicht nur die Kleinen, sondern auch die Muttis trotz der meist viel zu kurzen Nächte munter werden lässt. „Guten Morgen, guten Morgen, wir winken uns zu“, singt die Kursleiterin voller Elan. Das ist gar nicht so einfach, denn natürlich fehlt auch ihr der direkte Kontakt. Fröhlich singt sie die Kamera an. „Guten Morgen, guten Morgen, erst ich und dann du.“ Dann kommt die Aufwärmrunde. „Nehmt mal alle eure Mäuse auf den Schoß. Jetzt wird gewippt.“ Das nächste Lied beginnt. „Wir sind aus weichem Gummi und tanzen einen Flummi.“ Die Mütter kennen das Spiel und stemmen ihre Kinder im Takt in die Luft. Frühsport mal anders. Ein Kraftakt – vor allem für die, die mehr als ein Kind haben und auch die Erstgeborenen nebenbei noch mitbespaßen müssen.
Eine Runde Bewegungsspiele für alle
Nach und nach schalten sich weitere Frauen dazu. Mittlerweile ist auch Julian ausgeschlafen und macht mit. Die erste Runde Bewegungsspiele ist vorbei. Verschnaufpause. Jetzt darf jede erzählen, was sie grade so beschäftigt. Die Frage, was man den Kindern bei kaltem Wetter anzieht, wird besprochen. Tessa zeigt den neuen Woll-Overall, den ihre Mutter dem Enkelchen geschenkt hat. Tipps für die Gesichtspflege der Kinder machen die Runde. Und dann beginnt eine Diskussion darüber, ob ein solches virtuelles Treffen die Aufmerksamkeit der Kinder nicht zu sehr auf das Handy oder Tablet lenkt.
Eine Mutter hat den Bildschirm vorsichtshalber so eingestellt, dass nur sie und das Kind wie in einem Spiegel zu sehen sind. Denn sie hat festgestellt, dass ihr Sohn immer ganz frustriert ist, wenn das Gerät abgeschaltet wird und die Leute dann so plötzlich weg sind. Ina sieht die Sache entspannt: „Unser Kinder werden später einfach mehr an Technik interessiert sein. So ist das nun mal.“
Wenn der Schneebesen zum Spielzeug wird
Neues Thema: Es geht um die Schätze des Alltags. „Habt ihr denn eure Hausaufgaben gemacht?“, fragt Claudia Fuest. Die Mütter winken mit Schneebesen. Die haben sie mit bunten Bändern, Schnüren und alten Knöpfen zu wunderbaren Spielzeugen umfunktioniert. Lotta, das berichtet ihre Mutter, will den Schneebesen gar nicht mehr abgeben. Und es geht noch so viel mehr: Mit Maiskörnern gefüllte Socken werden zugeknotet zu spannenden „Fühlsäckchen“.
Nach fast vier Jahrzehnten Kinderkursen ist der Ideenvorrat von Claudia Fuest beinahe unerschöpflich. In der nächsten Woche werden Luftballonmänner gebastelt. Das kündigt sie schon mal an. Die Schablone kommt vorher per Mail.
Eine gute Stunde ist vorbei. Beim Abschlusslied ist nur noch ein Teil der Mannschaft an Bord. Zwei Kinder sind eingeschlafen, eines wird gestillt. Claudia Fuest gibt alles. „Alle Leut, alle Leut, geh’n jetzt nach Haus“, singt sie kraftvoll und winkt Kindern und Müttern zum Abschied zu. Nächste Woche auf ein Neues. Dieselbe Uhrzeit, dasselbe Format – und dann doch auch derselbe Wunsch: Dass sich alle bald endlich wieder richtig begegnen dürfen.
>>> FREIE PLÄTZE IN DEN ELTERNSTART-KURSEN:
Das Bildungsforum bietet laufend neue Elternstart-Kurse, bei denen bis auf weiteres die Teilnahme nur online möglich ist.
Es gibt im aktuell schon laufenden Kurs noch Plätze für Kinder, die im November und Dezember geboren wurden. Und: Ab März geht es für die Kinder los, die im Januar und Februar geboren wurden und werden. So lange der Kurs nur online möglich ist, ist das Angebot kostenlos.
Weitere Informationen: www.kbf-du-west.de, 02065/90 13 340.