Duisburg-Baerl. Vor rund anderthalb Jahren sorgten Neubaupläne der evangelischen Kirchengemeinde Baerl für Diskussionen. Jetzt werden wieder Vorwürfe erhoben.

Vor rund anderthalb Jahren sorgten Baupläne der evangelischen Kirchengemeinde Baerl für hitzige Debatten. In der Gemeindeleitung war beschlossen worden, dem Investor TNP Leipzig große Teile des Geländes durch einen Erbpachtvertrag zu überlassen. Eine Seniorenwohnanlage soll entstehen.

Während Pfarrer Andreas Klumb und Jürgen Bongards, damals Vorsitzender des Presbyteriums, auf dringenden Handlungsbedarf wegen des klammen Haushalts und eine Win-Win-Situation auch für die älteren Menschen in Baerl verwiesen, liefen Teile der Dorfgemeinschaft Sturm gegen ein vermeindliches „Großprojekt“.

Bis jetzt hat sich an der Schulstraße nichts getan. Anlass für neue Vorwürfe. „Das Dorf weiß von nichts“, sagt Günter Müller, aktives Gemeindemitglied. Er spreche für viele, wenn er bis dato ein „Störgefühl“ bezüglich der „Qualität der Entscheidungsfindung“ empfinde.

Ausschüsse fühlen sich übergangen

Müller war bis 2016 Presbyter. Heute ist er in der Gemeinde in verschiedenen Funktionen ehrenamtlich aktiv. Als der Vertrag mit dem Investor zustande kam, saß der Diplom-Ökonom als einziges nicht-presbyteriales Mitglied im Finanzausschuss der Gemeinde. Die übrigen drei Ausschussmitglieder waren bereits vorher aus Ärger über die Ereignisse ausgetreten, berichtet er.

Dabei sei allen früh klar gewesen, dass es „harter Maßnahmen“ bedarf, um den Gemeindehaushalt zu sanieren. Wenig offen, kritisiert Müller, hätten Presbyteriums-Vorsitzender und Pfarrer agiert. Diese seien bereits 2018 im Alleingang in Kontakt mit dem Investor getreten und hätten die ganze Angelegenheit ohne Absprache in Gang gesetzt. Müller: „Da wurde keiner mitgenommen. Dabei stehen Experten zur Verfügung.“ Aber weder Finanz- noch Bauausschuss seien informiert, geschweige angehört worden. Und das verstoße bei Planungen dieses Ausmaßes gegen das Kirchenrecht. Statt dessen sei die Gemeinde im März 2019 vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Der Beschluss des Presbyteriums fiel dem Vernehmen nach kurz davor.

Auf dem Gelände der evangelischen Kirchengemeinde Baerl wird eine Seniorenwohnanlage entstehen. Es geht um drei Baukörper, zwei auf dem Parkplatz an der Schulstraße (Foto), einer auf der Wiese und der Fläche des alten Gemeindesaals.
Auf dem Gelände der evangelischen Kirchengemeinde Baerl wird eine Seniorenwohnanlage entstehen. Es geht um drei Baukörper, zwei auf dem Parkplatz an der Schulstraße (Foto), einer auf der Wiese und der Fläche des alten Gemeindesaals. © FUNKE Foto Services | Christian Creon

Müller ist, gelinde gesagt, irritiert. Mal unabhängig davon, dass er andere Lösungen gern diskutiert hätte, sei die Summe, über die eigenmächtig entschieden worden sei, beträchtlich: „Hier geht es um zwölf Millionen.“ Er hat daraufhin bei den Leitungsgremien „Hinweise auf nicht ordnungsgemäßes Handeln des Presbyteriums“ geltend gemacht.

Hierfür habe er seit Beginn des Vorjahres mehrfach beim Superintendenten Wolfram Syben um eine kompetente und neutrale Prüfung gebeten und sich schließlich an den Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, gewandt. Daraufhin habe man das Presbyterium um Stellungnahme gebeten. Es erfolgte eine Ermahnung.

Defizite in der Organisationsstruktur

„Wir haben uns dazu bereits geäußert“, sagt Pfarrer Andreas Klumb, der Jürgen Bongartz im Februar als Vorsitzender des Presbyteriums abgelöst hat. Dadurch seien alle Beschwerden entkräftet worden. Und mehr gebe es dazu nicht zu sagen. Nur das: „Wir haben keine Ausschüsse übergangen.“ Und von wegen mangelhafte Transparenz. Wenn es keine neue Entwicklung gebe, könne er keine publizieren. „Wir sind nicht der Bauträger und werden von der Stadt auch nicht informiert. Wen es interessiert, der fragt mich.“ Fakt sei, dass sich die Angelegenheit verzögert habe, weil ein Nachbar erwogen hätte, gegen das Bauprojekt zu klagen.

Dies sei vom Tisch, habe aber dazu geführt, dass die Bauvoranfrage erst Ende 2019 rechtskräftig geworden sei. Erst danach wurde der Bauantrag gestellt. Dieser liege dem Bauamt jetzt zur Genehmigung vor. Nun könne man nur warten. Klumb hofft auf einen Start der Arbeiten in 2020. Eine Verärgerung innerhalb der Gemeinde kann er indes nicht ausmachen. „Die Vorwürfe sind nicht repräsentativ.“ Jürgen Bongartz kann die Angriffe gegen seine Person in ihrer Härte nicht nachvollziehen. Man setze sich doch für seine Gemeinde ein, sagt er„eben, weil man daran hängt. Nicht an einem Posten, sondern an der Kirche.“

Müller spricht von einem „gravierenden Defizit“ innerhalb der Organisationsstruktur der evangelischen Kirche. Im Gegensatz zur Katholischen Kirche, die ihre Gemeinden regelmäßig oder anlassbezogen durch ihre Revisionsabteilung überprüfen ließe, gebe es keine derartige Kontrollinstanz. Für den Baerler, der aus der freien Wirtschaft kommt, ein Unding. Statt dessen ließe der Superintendent Fälle dieser Art vom Kreissynodalvorstand (KSV) beurteilen. Doch dort säßen Pfarrer und Gemeindevertreter, Laien also, die dort über sich und ihre Angelegenheiten berieten und somit „befangen“ seien.

Vom Umgang mit der Kirchensteuer

Er bezeichnet dies als verantwortungslosen Umgang mit den Steuergeldern der Gemeindemitglieder. „Da wird vieles unter den Teppich gekehrt.“ Bei der kleinen evangelischen Kirchengemeinde Baerl etwa betrage das Haushaltsvolumen immerhin 1,4 Millionen Euro. Mit Interesse hat er die Ereignisse um die Ghana-Spenden in der Katholischen Gemeinde St. Dionysius in Walsum verfolgt. Hier sei der Fall richtigerweise an die Revision des Bistums Münster zur Prüfung weitergegeben worden. „Und so muss es sein.“