Duisburg-Homberg. Mike Bengel, Chef der Schaustellerbetriebe Groß-Duisburg, schlägt Alarm. 5000 Familien und 55.000 Jobs sind von der Coronakrise betroffen.
Eine Runde auf dem Kettenkarussell, danach eine Stange Zuckerwatte, bevor es schließlich auf den Autoscooter geht – während der ersten warmen Tage im Jahr sind das gewohnte Bilder auf den Frühjahrsfesten. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie bleiben die Markt- und Schützenplätze leer. Dies trifft vor allem Schausteller wie Mike Bengel. „Alle Betreiber stehen momentan vor dem Ruin“, macht er unmissverständlich klar. „Wir haben im Moment einen hundertprozentigen Ausfall der Einnahmen, weil nirgendwo mehr eine Kirmes stattfinden kann. Und das ist nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa so“, sagt der Chef eines Schaustellerbetriebs.
Mitte April hätte er seine Spaßfabriken bereits auf den Marina-Märkten und anderen städtischen Veranstaltungen aufgestellt. Stattdessen parkt jetzt Lastwagen an Lastwagen, beladen mit bunten Bauteilen von Fahrgeschäften, ungenutzt auf dem Firmengelände in Hochheide. Mike Bengel nutzt die Zeit, um seine Fahrzeuge zu überprüfen. Eine Tätigkeit, die er normalerweise in den Wintermonaten erledigt.
Als Vorsitzender des Vereins Schaustellerbetriebe Groß-Duisburgweiß Bengel genau um die Umstände seiner Zunft: „Unser Betrieb organisiert jede städtische Kirmes. Aber wir betreiben nicht nur unsere Fahrgeschäfte, sondern bauen auch Bühnen, Toiletten, Kühl- und Verkaufswagen auf.“
Kein Umsatz - das gilt auch für die den Grill und die Schieß- und Losbuden
Aus diesem Grund seien viel mehr Mitarbeiter als bloß die des Schaustellerbetriebs betroffen. „Die Leute am Grill, an der Schießbude, beim Entenangeln, die haben derzeit ja auch keinen Umsatz“, gibt Bengel zu bedenken.
In der Hochsaison im Sommer beschäftigt Mike Bengel bis zu 50 Mitarbeiter, die meisten davon sind Saisonkräfte. Mit ihnen ist er dann Wochenende für Wochenende in einem Umkreis von hundert Kilometern im Ruhrgebiet und am Niederrhein unterwegs. Und dieses Jahr hätte ein ganz besonderes werden sollen: Denn sein Familienunternehmen feiert 150-jähriges Jubiläum.
Deutschlandweit seien 5000 Schaustellerfamilien betroffen, insgesamt 55.000 Arbeitsplätze, die einen jährlichen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro erwirtschafteten. „Das ist keine kleine Branche. Wir sind Teil des Brauchtums in Deutschland. Jede Kirmes ist ein kulturelles Ereignis, zu dem auch Leute aus dem Ausland anreisen. Was nützt das Brauchtum, wenn die Hälfte der Betriebe pleite geht?“, meint er. „Wir brauchen dringend finanzielle Hilfe durch die Bundesregierung. Mein Vater ist 87, er nennt es einen Krieg ohne Bomben. Aber selbst in den beiden Weltkriegen fanden Jahrmärkte statt, um den Leuten eine Freude zu bereiten.“
Zurzeit hofft Mike Bengel auf die Hochemmericher Kirmes im September
Und so hofft Bengel auf eine baldige Lockerung der strengen Schutzmaßnahmen: „Mitte März dachte man ja noch, das sei alles in zwei bis drei Wochen wieder vorbei. Die Politik müsste Regeln erlassen, mit denen man trotzdem auf die Kirmes gehen kann. Bei Imbissbuden ist es leicht, sie mit Abstand aufzustellen, bei den Leuten weniger. Die müssten dann eben Schutzmasken tragen“, findet er. Dann könne das Leben auch weitergehen. Ohnehin sei das Virus gar nicht so tödlich wie angenommen. „In Deutschland sind die Zahlen ja noch relativ niedrig. Aber so bleibt uns nichts anderes, als die Füße stillzuhalten. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber vielleicht kommt bald ein Impfstoff gegen das Virus“, sagt Bengel.
Die Friemersheimer Kirmes ist bereits abgesagt, sie würde an Pfingsten stattfinden. „Andererseits kommen da nicht so viele Leute. Und wenn man Läden öffnen kann, kann man auch eine Kirmes veranstalten“, findet der Schausteller. Weiterhin hofft er auf den Beginn der Hochemmericher Kirmes im September, die – Stand jetzt – stattfinden könnte. Mike Bengel und seine Schausteller-Kollegen könnte dies vor dem Ruin bewahren.