Duisburg-Homberg. . In Hochheide fühlen sich Anwohner nicht mehr sicher und fordern mehr Polizeistreifen. Grund sind Probleme mit randalierenden Jugendgruppen.

Für Stefan Schulz (Name geändert) und seine Familie ist es ein ganz normaler Abend. Wenn es dunkel wird, geht es auf dem Bürgermeister-Bongartz-Platz wieder los. Schnell sind alle Bänke von Jugendlichen besetzt. Es werde gequatscht, getrunken, gejohlt, gezankt. 20, 30 könnten es werden, allesamt männlich, südeuropäische Wurzeln, so Schulz. Ihm sind sie inzwischen weit mehr als nur ein Dorn im Auge. Der Platz liegt unter seinem Fenster. Das bedeutet, dass kein Mensch mehr schlafen kann. „Die machen Krach, zünden illegale Böller an. Und dealen in aller Öffentlichkeit.“ In dem Moment splittert unten Glas, ein junger Mann hat Neonröhren vom Kaufland-Umbau geholt, schleudert sie herum. Jetzt reicht es. Schulz ruft die Polizei. Wieder mal.

Seit einiger Zeit ist der 30-Jährige wegen seiner Lebensgefährtin ständig in Hochheide. Er kommt aus Meiderich und kann sich über die Zustände im Herzen Hombergs nur wundern. „Das wird hier ein zweites Marxloh.“ Wie oft er die Polizei gerufen hat, kann er nicht mal mehr schätzen. Meist führen die Beamten dann über den Platz – derweil seien die Unruhestifter längst verschwunden. „Warum unternimmt keiner was“, ärgert sich Schulz. „Wieso steigen die Polizisten nicht aus? Hier muss man dauernd Präsenz zeigen, aber die sind maßlos überfordert.“ Dies habe man ihm in einem Gespräch auch gesagt. Vielleicht, überlegt er, ein privater Wachdienst?

Das Foto entstand im März 2019 vor der Sprengung des Riesen. Die Jugendlichen, die an dem Abend auf dem Platz waren, wollten nicht fotografiert werden..
Das Foto entstand im März 2019 vor der Sprengung des Riesen. Die Jugendlichen, die an dem Abend auf dem Platz waren, wollten nicht fotografiert werden.. © Norbert Prümen

Wer abends in das 60-Parteien-Haus will, braucht diverse Schlüssel. Hier kommt keiner einfach so rein und raus. Man muss zwei Türen aufschließen, um ins Treppenhaus zu gelangen – für den Aufzug braucht man nochmal einen Schlüssel. Auch andere im Viertel sind genervt, berichtet Schulz. Im Awo-Seniorenheim schimpften die Bewohner über die Ruhestörung. „Nachts wird da vor der Tür gepöbelt und gegrölt.“

Schulz hat Oberbürgermeister Sören Link einen Brief geschrieben. Er hat mit der Polizei diskutiert und mit der städtischen Beschwerdestelle. Alle konnten ihn verstehen, alle ermutigten ihn, die Polizei auch weiter zu rufen. „Was soll das bringen?“, fragt er. „Die Jugendlichen spielen Katz und Maus. Hier wurden Leute am helllichten Tag ausgeraubt.“ Schulz zählt nicht zu den AfD-Anhängern wie er betont, obwohl ihn der hohe Ausländeranteil im Stadtteil nerve – obwohl er klingt, als hätte er das Vertrauen in die Obhut des Staates verloren. Warum wird Personal gekürzt, wenn es in Problemvierteln benötigt wird?, fragten sich viele. Früher, als sich am Bismarckplatz noch eine Polizeiwache befand, sei es ruhiger gewesen. „Heute verkaufen die hier öffentlich Drogen.“

Nicht mehr Kriminalität als anderswo

Szenenwechsel. Auch wenn sich in Hochheide viele über ein schlechtes Umfeld und verwahrloste Ecken beklagen – die Kriminalität ist statistisch nicht größer als in anderen Stadtteilen. Das betonen Bezirksbürgermeister Hans-Joachim Paschmann (SPD) und sein Vize Klaus Radny (CDU). Ob das nun daran liege, dass Delikte erst gar nicht erst angezeigt würden, mögen sie nicht beurteilen. Die „objektive Kriminalität“ jedenfalls sei rückläufig. „Gab es hier früher zwölf Intensivstraftäter, ist es heute nur noch einer“, formuliert Paschmann. „Und die sogenannten ‘Silvesterkrawalle’ gibt es seit Jahren nicht mehr. Ich fühle mich in Hochheide sicher“, ergänzt Radny. Die Jugendgruppen auf dem Bongartz-Platz sind den beiden ein Begriff: Südländer eben, die abends gern im Freien zusammensitzen. Laut, aber harmlos.

Auch der Polizei ist die Situation bekannt. Im Bereich der Ladenstadt, so Sprecherin Stefanie Bersin, hielten sich vor allem während der wärmeren Monate unbestritten sehr viele Leute auf. Entsprechend achte man mit den Mitarbeitern des Ordnungsamtes auf Präsenz, im Sommer fahre man mehr Steife, „wir haben ein Auge darauf“.

Einsatz im Mannschaftswagen

Seit Januar registrierte die Polizei auf dem Platz vier Einsätze, zweimal Randale, zweimal Ruhestörung. Dreimal wurde Anzeige erstattet, einmal wegen gefährlicher Körperverletzung im Zusammenhang mit Feuerwerkskörpern. Alles in allem seien die Delikte „relativ harmlos“. Wobei Zahlen und subjektive Wahrnehmung ja oft unterschiedlich seien. „Offenbar fühlen sich Bürger nicht wohl. Da müssen wir ansetzen.“ Dass sich die nächste Wache inzwischen zweieinhalb Kilometer entfernt an der Viktoriastraße in Alt-Homberg befindet, sei unproblematisch: „Wir können sehr schnell sein.“

Was diesen Abend betrifft, stimmt das. Wenige Minuten, nachdem Schulz den Vorfall mit den Neonröhren gemeldet hat, fährt ein Mannschaftswagen vor. Und diesmal steigen die Beamten aus. Die Jugendlichen laufen weg, zwei werden gestoppt. Die Polizei ermittle noch in diesem Fall, der auch zur Anzeige gebracht wurde, heißt es später auf Anfrage.

Der „Rote Weg“ macht vielen Frauen Angst

Schulz` Lebensgefährtin wohnt seit drei Jahren mit ihren Kindern hier, eigentlich gern, wie sie sagt: Geschäfte, Café, Sparkasse, alles da. Innerhalb dieser Zeit habe sich das Umfeld jedoch verschlechtert. Ohne Pfefferspray geht sie nicht mehr vor die Tür. „Zum Roten Weg können Sie als Frau im Dunkeln nicht. Man wird angepöbelt und belästigt.“ Sie erinnert sich gut an die Massenschlägerei, die im Juni 2017 Schlagzeilen schrieb: 30 Personen gerieten auf dem Bongartz-Platz teils mit Holzlatten aneinander, ein Zwölfjähriger wurde schwer verletzt. „Und das waren anfangs auch nur fünf Leute.“

Das Paar blickt skeptisch in die Zukunft. Über die Sprengung der Weißen Riesen und die neue Grünfläche kann es sich nicht freuen. Sanierungsgebiet hin, Sozialarbeit her – „Und wer passt dort auf? Sonst können Sie da bald abends auch nicht mehr hin.“ Im Grunde handele es sich um ein soziales Problem, sagt Schulz. Hochheide - das sind auch viele Zuwanderer, viele junge Leute ohne Job. „Vor 20 Jahren hat es so etwas nicht gegeben.“

Das sagt die Stadt:

Die Stadt erklärt auf Nachfrage, dass der Ordnungsdienst bisher keine besonderen Vorkommnisse rund um den Bürgermeister-Bongartz-Platz festgestellt habe. Im Rahmen der Sprengung des „Weißen Riesen“ am 24. März sei man sehr häufig präsent gewesen. Platz und Umfeld seien „unauffällig“.

Beschwerden von Bürgern habe es bisher keine gegeben. Man wolle das Quartier aber im Auge behalten, die Präsenz des Ordnungsdienstes während des Tages wolle man aber nicht erhöhen. „Beschwerden gibt es wenn wohl eher abends oder nachts und dann ist die Polizei zuständig“, so der Stadt-Sprecher.