Duisburg-Homberg. . Frank Baier hat mit „Gesängen des Ruhrgebiets 1870-1980“ die Liederliste für deutschsprachige Liedermacher erobert. Besuch in der Homberger „Plattenküche“.
Diese Strophe ist Teil des Liedes „14 Prozent Dividende“, es stammt aus dem Jahr 1930 und ist im Zuge eines Grubenunglücks in Alsdorf entstanden. Musikalisch hat es der Homberger Frank Baier (73) im Jahr 1979 bearbeitet und kürzlich als Live-Mitschnitt auf eine LP gepackt, Titel: „Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980“. Diese Platte stürmte bekanntlich die Liederbestenliste für deutschsprachige Liedermacher (wir berichteten). Besuch beim Interpreten in der Rheinpreußensiedlung.
„Mein Sohn hatte mir gesagt, ich solle doch aufhören mit der Musik, lieber meinen Ruhestand genießen und nach La Gomera reisen“, sagt Baier. Der Vollblutmusiker wollte aber nicht so recht hören, beziehungsweise ließ er sich anstecken von der Idee der Geschichtswerkstatt Dortmund-Eving und dem Archiv für populäre Musik im Ruhrgebiet“. „Es war möglich, im März 2014 ein Konzert im Evinger Schloss analog mitzuschneiden. Das fand ich toll, der Plan für eine Veröffentlichung war geboren.“
20 Stücke, unter anderem eben „14 Prozent Dividende“ sollten letztlich auf dem Album landen. Viele kritische Songs schafften es auf die Platte, „die wie das Dividenden-Stück heute aktueller denn je sind und uns schaudern lassen. Man denke da etwa an Stellenabbau im großen Stil bei Großbanken.“ Über den großen Kritiker- und Charterfolg seiner Platte ist der gebürtige Essener „total happy“. Besonders freut er sich darüber, dass sich das Werk bereits seit März in dem einst vom SWF/SWR initiierten Bestenliste hält.
Auflage: 500 Langspielplatten
500 Langspielplatten hatte Baier einst bei seinem Plattenverlag geordert, 350 bekam er nach Hause geschickt, 150 vermarktete der Verlag aus Bremen selbst. „Es gibt tatsächlich ausschließlich Platten, wir denken allerdings darüber nach, die Lieder auch auf CD zu brennen“, erklärt der Musiker.
Aktuell fühlt sich Baier in die Zeit der legendären Band von Rio Reiser, „Ton Steine Scherben“, zurückversetzt. „Ich lernte Reiser in den 70-ern in Krefeld in einem besetzten Haus kennen. Er erzählte mir, dass sie ihre Plattencover selbst zusammentackern. Das machen wir im Jahr 2016 nun auch.“ Mit wir meint Baier seinen guten Freund und Eventmanager Eckart Pressler. „Wir sitzen regelmäßig in meinem Wohnzimmer und tackern die Cover zusammen“, sagt Baier schmunzelnd. Zwischen die beiden Pappen schieben sie dann die Platte und das zwölfseitige Booklet. Zu beziehen sind die „Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980“ zum Stückpreis von 24 Euro plus Versandkosten über die Homepage www.frank-baier.de.
Der Erfolg bei Kritikern und in den Liedercharts sorgt übrigens nicht für einen Geldregen im Hause Baier. „Ich denke, dass wir am Ende Plusminusnull rauskommen“, sagt er. Sollte etwas übrig bleiben, will Baier dieses Geld in ein neues Projekt stecken, von der ursprünglichen Idee, „Gesänge des Ruhrgebiets“ könnte seine letzte Platte sein, hat er sich nämlich längst wieder verabschiedet. „Die ,Gesänge’ sind ja bis auf eines alles Stücke, die nicht aus meiner Feder stammen“, erklärt er. „Ich möchte eine CD mit sehr persönlichen, nicht politischen Songs herausbringen, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind.“
ZUR PERSON
Frank Baier (73) wurde in Essen geboren und hat laut eigener Aussage zwei Leben parallel gelebt: Er war Musiker und Ingenieur zugleich. Nach dem Studium der Mess- und Regeltechnik war er viele Jahre bei der Telekom beschäftigt. „Nach Feierabend gab ich dann Konzerte oder engagierte mich für den Erhalt der Rheinpreußensiedlung in Homberg“
Die war bekanntlich Anfang der 1970er Jahre zugunsten der „Weißen Riesen“ von 1700 Zechenhäusern auf heute 411 geschrumpft. Irgendwann habe Baier festgestellt, „dass die Kerze von beiden Seiten brennt“, er war sprichwörtlich ausgebrannt, ging einige Zeit nach einem Zusammenbruch in Rente und widmete sich dann mehr und mehr der Musik und dem Schreiben.
Veröffentlicht hat unter anderem im Jahr 1981 das Buch „Arbeiterlieder aus dem Ruhrgebiet“ und das „Liederbuch Ruhr Glückauf“ (2012).