Duisburg-Rheinhausen. . Midge Ure - Ex-Ultravox - zeigte sich mit seiner Band India Electric in der Erlöserkirche in Topform.
Seine Stimme ist Romantik pur. „Wir werden heute aber nicht nur romantische Lieder spielen – manche sind hyperromantisch“, sagt Midge Ure eingangs seines Konzerts in der Rheinhauser Erlöserkirche und viele der rund 700 Zuschauer können sich ein Lachen nicht verkneifen. Nostalgische Momente, denn in den 1980er-Jahren zählte seine Band „Ultravox“ zu den prägenden Musikgrößen der aus England stammenden New-Wave-Sounds. Sie hatten Welthits, die immer nah am großen Pathos waren – mit einer gehörigen Portion Weltschmerz, allerdings ohne zu schmalzig zu sein.
Diesen Drahtseilakt schaffte die Band vielleicht nur wegen des großartigen Sängers Midge Ure. Sein Spiel ist die Koketterie mit diesem halbtonverfärbten Weltschmerz, ohne sich allerdings vollkommen in ihm zu ergehen - und das merken die Zuhörer in der Erlöserkirche direkt bei dem ersten Song, den er spielt. „Breathe“ ist der Titelsong seines Albums Mitte der 90-er Jahre. „Eigentlich war das Lied schon gefloppt“, verrät Midge Ure und deutet auf seine Armbanduhr, „dann wollte die Schweizer Firma „Swatch“ den Titel für einen Werbespot haben.“ Wahrscheinlich, weil die Menschen in der Alpenrepublik langsamer ticken: Denn es entsteht eine Ballade, in der der Sänger (62) sein ganzes Stimmvolumen entfalten kann: Die Oktavsprünge landet er noch im höheren Alter sicher und spinnt die typischen lyrischen Bögen, wie sie vielleicht nur der andere große Tenor im Popgeschäft der 1980er-Jahre, Freddy Mercury von Queen, meistern konnte.
Vor allen Dingen im Zusammenspiel mit seinen jungen Mitstreitern von India Electric Co, Cole Stacey und Joseph O’Keefe, entstehen feine halbakustische Momente, wenn Midge Ure seinen warmen, manchmal schneidenden Tenor, in deren wundervoll harmonisches Melodiespiel, getragen von Violine, Akkordeon oder Mandoline, einbettet. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, auch Lieder, die mehr als 20 Jahre alt sind, mit diesen jungen Musikern zu spielen“, sagt Midge Ure und sofort zieht er die Zuhörer in seinen Bann.
Er greift auf sein Urheberrecht zurück und kramt den Welthit „Fade to Grey“ von Visage hervor, den er mitschrieb -„ein Song aus der Zeit, in der ich noch volles Haar hatte“, - während Joseph O’Keefe dazu sein Akkordeon filigran auf- und zuzieht, statt gewohnter wabernder minimalistischer Synthi-Klänge der New-Romantic-Bewegung. „Dear God“ aus dem Solo-Album „Fragile“ wird zu einer Anrufung an eine höhere Macht – vor allen Dingen, weil jetzt die Akustik der Erlöserkirche die Phrasen des schottischen Sängers schwingen lässt. Feinste Pizzicati von Mandoline und Violine tragen seine Stimme und die Hymne „Live forever“, die ohne weiteres als Titel-Track für eine weitere „Highlander“-Verfilmung dienen könnte, reißt die Zuhörer zu einem ersten Beifallssturm hin. Solide Songwriterkunst gibt es dazwischen, Titel wie „Become“ und „So long“ haben starke Momente – ohne die ganz großen Gefühle.
„Abstand zum Musikgeschäft“
Die gibt es dann zum Schluss: Als Midge Ure die Akkorde zu „Vienna“ auf der Gitarre anstimmt, honorieren es die Zuhörer mit einem aufbrausendem Johlen. Und sofort schießt er seinen Solo-Welthit „If I was“ nach und bewegt sich auch am Ende des Sets noch sicher in schwebenden stimmlichen Höhen. „Ich möchte aber weiter Abstand zum Musikgeschäft halten, das jedes Jahr nach Größen wie „Led Zeppelin“ und „Jimi Hendrix“ sucht“, sagt er zum Schluss fast kleinlaut. „All fall down“ klingt wie eine wehmütige Abrechnung.
Und vielleicht ließ er gerade deswegen seinen Mega-Hit „Dancing with tears in my Eyes“ aus der Ultravox-Phase weg – die Zuschauer verschütteten darüber keine Träne. Stehende Ovationen. Im Vorprogramm spielten Cole Stacey and Joseph O’Keefe als India Electric Co. eigene Titel, auch eine Mega-Version von Bruce Springsteens’ „I’m on fire“