Rheinhauser Geistlicher, der mehr als 14 Jahre die Christuskirchen-Gemeinde leitete, suchte und fand eine neue berufliche Herausforderung. Ab nächsten Mittwoch unterrichtet er Religion am Willy-Brandt-Berufskolleg.

Dieter Herberth, mehr als 14 Jahre Pfarrer der evangelischen Christuskirchen-Gemeinde, hat eine neue berufliche Herausforderung gesucht und gefunden. Mit Beginn des neuen Schuljahres wechselt der 48-jährige als Religionslehrer zum Willy-Brandt-Berufskolleg in Rheinhausen, für viele Gemeindemitglieder überraschend. Über seine bisherige und zukünftige Arbeit sprach Martin Krampitz mit Dieter Herberth, der wegen seines Einsatzes für die Bewohner des Bergheimer „Roma-Hauses“ über Rheinhausens Grenzen bekannt wurde.

Warum sind Sie zum 1. August 2015 zum Willy-Brandt-Berufskolleg gewechselt?

Ich bin in diesem Jahr 48 geworden. Manchmal muss man im Leben persönliche Entscheidungen treffen. Seit 1993 arbeite ich als Pfarrer in einer Gemeinde, zunächst im Kerpen-Brüggen im Rhein-Erft-Kreis, seit 2001 hier in der Christuskirchen-Gemeinde. Irgendwann muss man etwas Neues tun, weil man vieles schon ganz oft gemacht hat. Irgendwann fehlt dann so ein wenig die Herausforderung, der Reiz. Man merkt, man ist schon ganz häufig durch die selben Spuren gefahren. Und dann wurde die Pfarrstelle am Berufskolleg frei. In eine andere Gemeinde wäre ich nicht gegangen, weil ich und meine Familie uns in dieser Gemeinde hier viel zu wohl fühlen. So sind hier meine Kinder aufgewachsen. Ich müsste in einer anderen Gemeinde genau das tun, was hier auch schon alles passiert ist. In eine Schule zu gehen, ist für mich dagegen eine neue Herausforderung. Ich habe mir mit 48 Jahren gesagt: So, jetzt musst du noch mal ran, etwas Neues lernen, im Sinne von lebenslangem Lernen. Die Schul-Pfarrstelle wurde frei. Und da habe ich mir gedacht: Wann, wenn nicht jetzt ?

Worin liegt der Reiz an der Arbeit als Religionslehrer an einer Schule?

An einem Berufskolleg kommen die Schüler fast freiwillig in den Unterricht. Berufsschüler sind ja meist keine Jugendlichen mehr. Im Unterricht mit den jungen Erwachsenen dort begibt man sich in die freie, offene Diskussion. Stoff vermitteln, pauken und auswendig lernen, all das steht da nicht mehr im Mittelpunkt.Ich stehe dort mit meinem Glauben. die Jugendlichen kommen und haben eventuell ihren Glauben verloren. Die Schüler sind schon etwas gefestigter, In der Schule steht man in der offenen Diskussion. Diese Aufgabe ist für mich besonders reizvoll, vor allem am Berufskolleg. Außerdem habe ich seit 2005 in einer Hauptschule, dann in einer Grundschule in Rheinhausen evangelische Religion unterrichtet.

Wie haben die Mitglieder ihrer Gemeinde reagiert?

Die Mitglieder haben erstaunt, auch entgeistert und traurig reagiert. Was ich aber sehr schön fand: Alle haben meine Entscheidung verstanden. Niemand hat gesagt: „Warum gehst Du denn? Das verstehe ich überhaupt nicht!“ Aber viele waren schon etwas geschockt. Denn wir hier hatten alle gedacht, wir würden miteinander alt werden, hier in der Gemeinde. Dann haben aber auch viele gesagt: „Ich bin im selben Alter, in der selben Situation wie du, ich suche auch eine neue Herausforderung. Der Wechsel liegt nicht daran, dass in dieser Gemeinde etwas im Argen läge und dass ich daher flüchte oder die Gemeinde verlasse! Diese Worte vermeide ich. Ich suche eine neue Herausforderung, um nicht träge zu werden. Die Gefahr bestand durchaus bei mir zuletzt. Die Arbeit mit den kleinen Kindern im Kindergarten wird mir sehr fehlen, das Singen und Geschichten von Jesus erzählen. Auch Beerdigungen werden mir sehr fehlen, auch wenn das seltsam klingen mag: Diese wichtige Arbeit habe ich sehr gerne gemacht.

Welcher Moment in 14 Jahren Tätigkeit hat Sie besonders bewegt?

Besonders bewegend war die Zeit, als wir die Christuskirche renoviert und hier den ersten Gottesdienst gefeiert haben. Das ist jetzt etwa zehn Jahre her. Vorher war diese Kirche nach Ansicht eines katholischen Kollegen ein „dunkles Loch“. Jetzt ist es drinnen sehr schön hell. Ich freue mich bis heute. Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich in diese Kirche gehe!

Was war der schönste, was der traurigste Augenblick?

Der schönste Moment? Als die alte Glocke nach ihrer Sanierung vor rund einem Jahr wieder läutete. Da hatte ich Tränen in den Augen. Denn wir hatte so lange für diesen Zweck Spenden gesammelt. Das Presbyterium und ich haben uns sehr für die Sanierung der Glocke eingesetzt. Sonst wäre die Glocke bis heute stillgelegt und würde bis heute nicht klingen.

Auch ein Besuch in einem Kinderheim in Moldawien, bei dem die Gemeinde den kleinen Mädchen und Jungen Kleidung und Nahrungsmittel brachte, war sehr emotional. Und der traurigste Augenblick? Besonders bitter war, als wir uns vor etwa neun Jahren entscheiden mussten zwischen Kindergarten und Gemeindehaus in Asterlagen. Wir erwarteten harte Diskussionen in der Gemeinde. Doch die Gemeindeversammlung verlief sehr ruhig, sachlich und hilfreich.

Pfarrer Dieter Herberth wurde 1967 im rumänischen Siebenbürgen geboren. Seine Familie, der Vater war Grundschullehrer, lebte in Agnetheln bei Hermannstadt und gehörte zur deutschsprachigen Minderheit. 1985, vier Jahre bevor die kommunistische Diktatur im Herbst 1989 zusammenbrach, siedelten die Herberths aus. Eltern und Kinder zogen nach Köln, wo Dieter Herberth sein Abitur bestand. Danach folgte ein Studium der evangelischen Theologie in Bonn. Nach seinem Vikariat in der evangelischen Kirchengemeinde Kerpen-Brüggen im Rhein-Erft-Kreis arbeitete der Geistliche beim Sonderdienst für Jugend und Radioarbeit im Kirchenkreis Köln-Süd. 2001 wechselte Herberth auf die Pfarrstelle der Christuskirchen-Gemeinde in Hochemmerich. Sein Einsatz für die Bewohner des Roma-Hauses machte den 48-Jährigen auch überregional bekannt.

Superintendent Ferdinand Isigkeit: „Ich bedaure, dass Dieter Herberth die Gemeinde verlässt. Aber genauso freue ich mich, dass er als Pfarrer im Schuldienst am Willy-Brandt-Berufskolleg in Rheinhausen Heranwachsende als Seelsorger und Religionslehrer begleitet. Das ist für uns als Kirche eine wichtige Aufgabe.“