Da hatte der Werkschutz eindeutig das Nachsehen. Denn unbemerkt von diesem waren zwei betriebsfremde Individuen in luftiger Höhe auf dem Werkgelände von Huntsman in Homberg entdeckt worden. Und dennoch: Die zwei Eindringlinge sind gern gesehene Gäste bei dem Unternehmen, auch wenn sie sich am liebsten jeglicher Kontrolle entziehen möchten.
Die Rede ist hier nicht von Menschen sondern von zwei jungen Wanderfalken-„Damen“, die vor knapp vier Wochen aus den Eiern geschlüpft sind. „Jetzt wird es noch etwa zwei Wochen dauern, bis die Jungen flügge sind und dann von ihren Eltern ausgefeilte Jagdtechniken erlernen“, erklärt Michael Kladny von der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW-NRW) des Naturschutzbundes (NABU). Die Wanderfalken wurden vor einigen Tagen „amtlich beringt“, damit die recht selten gewordenen Greifvögel überall wiedererkannt werden können. Wanderfalken stehen auf der roten Liste der bedrohten Arten. In Deutschland und den Benelux-Staaten galten die Wanderfalken in den 1970er Jahren als ausgestorben.
Inzwischen gibt es deutschlandweit wieder rund 1000 Wanderfalkenpaare. Turmfalken sind im Vergleich dazu wesentlich häufiger anzutreffen. (mehr als 60.000 Paare in Deutschland). Allerdings sind viele der früheren natürlichen Nistplätze an Steilhängen und Felsvorsprüngen für die Tiere nicht mehr erreichbar, denn Sportkletterer, Mountainbiker und Touristen bevölkern inzwischen fast jeden noch so abgelegenen Ort. Deshalb haben sich die Greifvögel angepasst und nisten nun an hohen Gebäuden und Industrieanlagen. „Viele Unternehmen, wie auch Huntsman, unterstützen unsere Bemühungen, Falken anzusiedeln“, so Michael Kladny.
Da Wanderfalken keine Nester bauen, sondern meist auf kargen Felsvorsprüngen brüten, wurde von den Huntsman-Schreinern ein Spezial-Falkenhorst mit Steinfüllung gebaut. In den nächsten Wochen lernen die Jungvögel von ihren Eltern, wie man blitzschnell und zielsicher aus großen Höhen herabstößt und dabei seine Beute zur Strecke bringt. Dabei erreichen die Vögel Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 350 Stundenkilometern, schneller als jeder Formel Eins Rennwagen.
Die Jungvögel fliegen im Herbst nach Frankreich oder Spanien und suchen danach ein eigenes Revier. Die Eltern bleiben weitgehend ihrem Revier verbunden und damit Huntsman treu. Die Falkenmutter, die jetzt bereits seit vielen Jahren in Homberg heimisch ist, kommt übrigens aus der Nähe von Dresden.