Duisburg. Trotz des Skandals treten vergleichsweise wenige Duisburger Katholiken aus der Kirche aus. Vor Gericht gibt’s keine Schlangen. Woran liegt das?

In Duisburg scheint die Welt der katholischen Kirche noch halbwegs in Ordnung. Während Katholiken in Köln und anderswo in NRW nach dem Missbrauchsskandal bis zu drei Monate auf einen Termin für den Kirchenaustritt warten, gibt es am hiesigen Amtsgericht keinen Stau.

Allerdings spiegelt sich auch in Duisburg die Unzufriedenheit mit der Reaktion Kardinal Woelkis auf die Missbrauchsvorwürfe wieder. Im Februar, als der Skandal mit voller Wucht hochkochte, sind 76 Duisburger aus der katholischen Kirche ausgetreten, im Februar 2020 waren es 63. Das bedeutet immerhin einen Anstieg von rund 20 Prozent.

Katholikenrat Duisburg: „Die Reaktion von Herrn Woelki ist ein zweiter Missbrauch der Opfer“

„Derzeit gestaltet sich hier die Terminvergabe grundsätzlich unproblematisch“, sagt Gerichtssprecher Dr. Rolf Busch. Dass die Reaktion in Duisburg bislang weniger heftig ausfällt als in Köln, erklärt Daniel Wörmann, Vorsitzender des Katholikenrats Duisburg, so: „Es ist entscheidend, wie die Menschen ihre Gemeinde vor Ort wahrnehmen. Was in Köln passiert, ist für die meisten schon zu weit weg, das ist nicht ihre Kirche“.

Das treffe auch auf ihn zu. „Die Reaktion von Herrn Woelki ist ein zweiter Missbrauch der Opfer. Es ist eine Schande, die mich wütend und traurig macht“, sagt Wörmann sehr deutlich. Doch zum Glück erlebe er die Situation in Duisburg ganz anders. „Ich erlebe eine Kirche, die das aufarbeiten will, die kritisch hinterfragt“, so Wörmann.

In der Corona-Pandemie gewinnt der Glaube an Bedeutung

„An der Basis wird viel gute Arbeit geleistet. Es ist schade, dass dies so zunichte gemacht“, sagt Stadtdechant Roland Winkelmann. Er persönlich sei entsetzt darüber, was im Erzbistum Köln geschehen ist, und wie damit umgegangen wird. „Ich kann nachvollziehen, warum einige die Kirche verlassen“, so Pfarrer Winkelmann.

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Dabei sah es im vergangenen Jahr ausgesprochen gut aus. In Corona-Zeiten ist die Zahl der Kirchenaustritte im gesamten Land gesunken, in Duisburg sogar besonders stark, nämlich um mehr als 30 Prozent. 942 Duisburger haben 2020 die Kirche verlassen - 526 Katholiken und 416 Protestanten. 2019 waren es 1357 Duisburger – 722 Katholiken und 635 Protestanten. Und in diesem Januar verließen sogar nur 54 Duisburger Katholiken die Kirche. Im Januar 2020 waren es 81.

Amtsgericht bearbeitet weniger Fälle

Der Rückgang hat einerseits einen ganz profanen Hintergrund. Vom Amtsgericht wurden weniger Austritte bearbeitet. Denn wegen Corona werden Termine nur noch im Halb-Stunden-Takt vergeben. „Damit will man Begegnungen vermeiden“, so Gerichtssprecher Dr. Rolf Busch.

Doch Daniel Wörmann vermutet noch einen anderen Grund: „In der Krise bekommt der Glaube einen besonderen Stellenwert“. Diese Sinnsuche sei allerdings nicht generell an die Amtskirche gebunden.

An erster Stelle stehen finanzielle Gründe

Corona ist eine Ausnahmesituation, auch für die Kirche. Denn eigentlich verzeichnen auch die Gemeinden in Duisburg seit Jahren sinkende Zahlen. 2018 waren stadtweit 133.033 Duisburger katholisch, 2010 waren es noch 151.230. Todesfälle spielen dabei die größte Rolle. Für 2019 sind in den vier Duisburger Pfarreien, die zum Bistum Münster gehören, also Walsum und die linksrheinischen Gemeinden, 458 Todesfälle und 296 Austritte registriert.

Missbrauchsskandale, die Stellung der Frau in der katholischen Kirche oder das Festhalten am Zölibat führen zur Entscheidung, die Kirche zu verlassen. Doch an erster Stelle werden finanzielle Gründe für den Austritt angeführt werden. In einer Studie der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche heißt es, dass Menschen zwischen 20 und 30 besonders häufig austreten. Liegt das daran, dass sie auf ihrer ersten Gehaltsabrechnung schwarz auf weiß sehen, was an Kirchensteuern zu zahlen ist? Oder erreicht die Kirche diese Gruppe nicht?

„Die Menschen stellen ein Kosten-Nutzen-Kalkül auf“

„Die Unzufriedenheit junger Leute mit den Angeboten der Kirche wächst“, zitiert Dr. Stefan Kronenberg, Sprecher des Bistums Münster, eine Befragung des Bistums. Viele junge Menschen identifizierten sich nicht mehr mit der Kirche. Manchmal ändere sich die Haltung, wenn sie eine Familie gründeten.

„Die Menschen stellen ein Kosten-Nutzen-Kalkül auf. Sie fragen sich: Was habe ich davon? Wenn sie die Kirche vor Ort nicht erleben, stimmt das Verhältnis nicht mehr“, sagt Daniel Wörmann. Kommen dann noch Skandale hinzu, ziehen die Leute einen Schlussstrich und treten aus.

>> Erster Schritt zum Amtsgericht

• Das Amtsgericht teilt den Austritt der Kirche und der Meldebehörde mit. Die Behörde reicht diese Information ans Finanzamt weiter. Die Kirchensteuerpflicht endet mit Ablauf des Monats, in dem der Austritt erklärt wurde.

• Die Gemeinden verschicken in der Regel Briefe an diejenigen, die die Kirche verlassen haben. Pfarrer Winkelmann hat schon erlebt, dass jemand seinen Schritt bedauert hat und nach wenigen Wochen wieder eingetreten ist. Vier katholische Pfarreien in Duisburg gehören zum Bistum Essen. Walsum und die linksrheinischen Pfarreien werden zum Bistum Münster gezählt.

• Informationen zum Thema Kirchenaustritt stehen auf diversen Webseiten, etwa www.kirchenaustritt.de. Dort sind unter „Geldspartipps“ auch gleich noch Themen wie Stromanbieter wechseln oder DSL-Tarife aufgelistet. Ein Angebot, das offenbar auf die Nutzer zugeschnitten ist, bleibt doch für viele der finanzielle Aspekt das Hauptargument.