Buchholz. Längst haben die Mädchen die Jungs in Sachen schulische Leistungen hinter sich gelassen. Dabei sind die großen Erfindungen der Menschheit doch alle Männerhirnen entsprungen. Was macht also das weibliche Genie aus? Ein Besuch im „Fadenzauber“ in Buchholz gibt neue Einblicke in dieses Phänomen.


Ich hab’ mich ich immer gefragt, worin es besteht, das weibliche Genie. Alle großen Erfindungen der Menschheit sind ja Männerhirnen entsprungen. Dabei hängen die Mädchen die Jungs bei den Schulnoten heute klar ab. Aber worin besteht ihr Geistesblitz? Ich glaube, ich hab’s herausgefunden: nicht an der Universität, sondern um die Ecke herum, beim „Fadenzauber“ an der Münchener Straße. Dort war ich zum Stricken.

Ende April hat Jennifer Pomberger sich den Traum von einem Fachgeschäft für Wolle und Stoffe erfüllt. Einmal in der Woche treffen sich Strickbegeisterte in ihrem Laden, um gemeinsam zu arbeiten und sich auszutauschen. Diesmal bin ich dabei.

Acht Frauen und ein Mann

Acht Frauen und ein Mann sitzen mit mir an einem Tisch. Sie häkeln oder stricken. Auch ich bekomme eine Stricknadel und ein Wollknäuel in die Hand gedrückt. Alexandra, Pombergers Mitarbeiterin, zeigt mir, wie ich die Nadel halten und den Wollfaden, dessen Farbe ich mir aussuchen durfte, um meine Finger legen soll. Aber immer wieder rutscht mir der Faden von der glatten Nadelspitze ab.

Um mir weitere Frustrationen zu ersparen, sattle ich auf Häkeln um. Das Wollknäuel bleibt das gleiche. Aber die Nadel ist dicker und hat einen Widerhaken, mit dem man den Faden besser packen kann.

Meine Nachbarin sagt, auch sie sei Anfängerin. Aber ihr Produkt, ein Tischläufer, sieht schon fast fertig aus. Sie plant schon ihr nächstes Stück, einen Strumpf.

Bei mir soll es ein Schal werden. Zunächst muss ich auch beim Häkeln lernen, wie der Faden um die Finger zu legen und wie er mit der anderen Hand mit dem Widerhaken zu führen ist. Ich muss alle Konzentration aufbringen, es zu begreifen. Meinen Mitstreitern geht es ganz locker von der Hand. Sie plaudern dabei munter.

Die Nadel mit dem Widerhaken

Das häufigste Wort, das dabei fällt, heißt „Masche“. Das sind die Schleifen, die man durch das geschickte Führen des Wollfadens mit dem Widerhaken hinterlässt. Aber wo ich jeweils neu einstechen soll, Alexandra muss es mir jedes Mal zeigen. Denn dabei zeigt es sich, das weibliche Genie: Es ist in der Lage, die kompliziertesten Verknotungen auf einen Blick zu durchschauen. Denn daraus ergibt sich eine Abfolge, die mir verborgen bleibt. Die Frauen haben sogar technische Zeichnungen damit vor sich. Detlef, der einzige Mann neben mir, scheint auch so ein Superhirn zu haben. Jedenfalls strickt er mit ganz feiner Wolle besonders komplizierte Gewebestrukturen.

Alexandra jedenfalls behält den Überblick bei dem, was ich da fabriziere, auch wenn ich den Faden verliere. Dennoch ist sie ehrlich: „In dem Tempo hast Du es nächstes Jahr im Winter geschafft.“ Aber ich durchschaue nicht nur das Fadengebilde nicht, das ich in Händen halte. Ich bin auch absolut ungeschickt im Umgang mit der Nadel. Mal ist der Wollfaden zu stramm gehalten, mal zu lasch. Bei meiner Nachbarin geht das alles wieselflink vor sich. Nach einer Stunde bin ich froh, aufhören zu können. Und ich weiß jetzt: Ohne das weibliche Genie müssten wir alle unbekleidet herumlaufen.