Ungelsheim. Jürgen Schultz (58) hat sich einen Kindheitstraum erfüllt. Er legte sich einen Mercedes 250 SE Coupé von 1965 zu. Mit einem ähnlichen Fahrzeug eines Nachbarn seiner Oma in Wanheimerort durfte er Anfang der 60er Jahre mal mitfahren - mit 170 Sachen über die Autobahn. Das beeindruckt ihn bis heute.
Manch einen lässt die Kindheit nie los. Jürgen Schultz (58), junger Ruheständler von der Blankenburger Straße, hat sich jetzt einen Kindheitstraum erfüllt. Freudestrahlend fährt er im blitzblanken Mercedes 250 SE Coupé von 1965 vor.
Die Tür fällt satt ins Schloss. Man sitzt tief auf weichen Ledersitzen. Viel Platz für Arme und Beine. Schultz hat den Boden mit einem neuen Teppich ausgelegt. Mit kernigem Klang setzt sich das Luxusauto der 60er Jahre in Bewegung, zieht ordentlich an. Wenn Schultz Gas gibt, schaltet die Vier-Stufen-Automatik nicht ganz weich. Dafür federt das Fahrwerk die vielen Unebenheiten in Ungelsheim und Umgebung komfortabel weg. Die steil aufragende Frontscheibe und die magere, mit Kunstleder bezogene Innenverkleidung sind gewöhnungsbedürftig.
Der Wagen des Nachbarn
Jürgen Schultz erzählt, warum es dieser Wagen sein musste: „Meine Oma hat Anfang der 1960er Jahre in Wanheimerort gewohnt. Da war ich oft zu Besuch.“ Und dabei bestaunte der kleine Junge das damals neue Mercedes 220 SE-Coupé des benachbarten Radio- und Fernsehhändlers Karl-Heinz Greve. „Da durfte ich mal mitfahren“, erinnert er sich. „Es ging auf die Autobahn - sensationelle 170 km/h schnell.“ Für Jürgen Schultz war es das automobile Erlebnis seiner Kindheit.
Die heimliche Autoliebe begegnete ihm Jahre später noch einmal bei der Bundeswehr. „Aber der Unteroffizier, der ihn fuhr, hatte viel Ärger damit“, erinnert sich Schultz.
Gut ein Jahr lang hielt er 2011 im Internet nach dem Modell Ausschau. Eigentlich wollte er ihn als 280 SE mit dem moderneren Motor haben. In der Ursprungsausführung als 220 SE war er unerschwinglich. Die Wahl fiel schließlich auf den mittleren Typ 250 SE in der seltenen Coupé-Version, wie er bei einem niederländischen Oldtimer-Händler stand: in beige mit braunem Dach und für 14 000 Euro, schätzungsweise 180 tkm gelaufen. „Ein Holländer hatte ihn aus Süd-Frankreich erworben und etwa zehn Jahre lang gefahren“, sagt Schultz. Über den ersten Besitzer weiß er nichts. Für ihn war wichtig, dass der Wagen nahezu rostfrei ist. Er bekam neue Stoßdämpfer und Zündkerzen. Der Motor wurde neu eingestellt.
Der Opel war besser
Jürgen Schultz ist weit davon entfernt, seinen Traumwagen zu vergöttern. „Mir gefällt halt das Aussehen“, sagt er, „die wuchtige, chromblitzende Front, die elegante Seitenlinie ohne so genannte B-Säule und die Panorama-Heckscheibe mit Knick. „Der Motor“, sagt er, „war damals schon nicht mehr hochmodern. Er ist ein rauer Geselle.“ Bei Tempo 160 sei es sehr laut zugegangen. Aber mit kaum einem anderen Wagen habe man dieses hohe Tempo damals fahren können. Für bequem hält er auch die Sitze nicht. Dafür sei die Rückenlehne zu kurz. Ein sicheres Fahrgefühl in Kurven komme auch erst bei beladenem Kofferraum auf. „Mercedes hat den Leuten damals für eine schöne Karosserie viel Geld abgenommen“, so Schultz. Autotester vermissten seinerzeit einen viel stärkeren Motor. Der kam erst 1968 mit dem 3,5-Liter-V8-Motor mit 200 PS.
„Es gab bessere Autos, den Opel Diplomat oder den Jaguar“, so der Oldtimer-Fan - den Opel übrigens zum gleichen Preis schon mit 5,4-Liter-Chevrolet-V8-Motor und 230 PS. Trotzdem wurden vom Opel-Luxuscoupé nur 300 Stück gebaut, vom Mercedes 33 000.
Der Spritverbrauch, im Schnitt 16,5 Liter Super pro 100 Kilometer, interessiert Jürgen Schultz bei seinem Oldtimer nicht. Bei verhaltener Fahrweise komme er mit zwölf Litern aus und tanke eh nicht mehr als fünf- oder sechsmal im Jahr.