Huckingen. Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus war jetzt Thema am Mannesmann-Gymnasium in Huckingen. In der dortigen Aula war jetzt der Historiker Dr. Dirk Reinhardt zu Gast. Er hat einen Jugendroman über die Widerstandsgruppe „Edelweißpiraten“ verfasst. Sie war an Rhein und Ruhr aktiv. Die Neuntklässler der Schule waren seine Zuhörer.

I-Phone mit Musik-App statt Mundharmonika, Marken-Klamotten statt kurzer Hosen - die Welt heutiger Jugendlicher ist völlig anders als die der Kriegsgeneration vor 70 Jahren. Vielleicht verfolgen gerade deswegen die meisten Schüler der Jahrgangsstufe 9 des Mannesmann-Gymnasiums am Montag eine Doppelstunde in der Aula besonders rege. Jugendbuchautor Dr. Dirk Reinhardt (51) aus Münster berichtet ihnen dort über Jugendliche der 1940er Jahre.

Der Historiker hat ein halbes Jahr über die „Edelweißpiraten“ recherchiert. Das war eine an Rhein und Ruhr verbreitete Gruppe von nazifeindlichen jungen Leuten, die ihre Gesinnung natürlich geheimhalten mussten. Aus den Erzählungen eines Überlebenden verfasste er einen Jugendroman. Pointiert trägt Reinhardt daraus vor, erntet mehrfach stürmischen Applaus.

Sehnsucht nach Freiheit

Eines haben seine Romanfiguren Flocke, Kralle, Flint und „Der Lange“ am Anfang mit den Zuhörern in der Aula vermutlich gemeinsam: Politik interessiert sie nicht besonders. „Es waren ganz normale Jugendliche aus Köln-Ehrenfeld, einem Arbeiterviertel“, sagt der Autor vor der Kulisse von zwei Fotos der Gruppe. Sie rauchen heimlich, tragen bunte Kleidung statt der vorgeschriebenen Uniform der Hitlerjugend (HJ). „Sie wollen sich eigentlich nur ein bisschen Freiheit bewahren“ nach zehn bis zwölf Stunden täglich an der Werkbank und nach Feierabend noch bei der HJ“, wo sie Zwangsmitglieder sind.

Reinhardts Roman beginnt im März 1943. Da hat Propagandaminister Joseph Goebbels bereits den „totalen Krieg“ ausgerufen. Köln aber liegt schon in Trümmern. Das ständige Flüchten in die Luftschutzkeller zermürbt die Menschen. Trotzdem mucken die Erwachsenen nicht auf. Zu drastisch wären die Reaktionen des Staatsapparates.

Angst vor dem eigenen Tod

Die jungen Leute aber malen sich aus, was ihnen bevorsteht: entweder der Tod im Bombenkrieg oder als letztes Aufgebot der Wehrmacht. Sie drücken sich vor den HJ-Treffen, wollen dort nicht länger Durchhalteparolen anhören und sich „wehrtauglich“ machen.

Ihnen scheint schlüssig, was auf den Flugblättern steht, die die feindlichen Flugzeuge über der Stadt abwerfen: dass der Krieg verloren ist und die Deutschen Opfer einer Diktatur sind. Sie entschließen sich, diese Flugblätter nachts aufzusammeln, während die Flammen aus den zerbombten Häusern lodern, und heimlich in die Briefkästen einzuwerfen, wollen die Leute wachrütteln.

Folter bei der Gestapo

Das aber ruft den gefürchteten Staatsapparat auf den Plan. Die Gruppe landet bei der Geheimen Staatspolizei. Konzentriert verfolgen die Schüler die Details, die nun kommen: Unter Folter sollen die Jungen gezwungen werden, sich gegenseitig zu verraten. Das misslingt. Sie halten zusammen.

Die anfängliche Lockerheit der Zuhörer ist Betroffenheit gewichen. „Wird der Roman verfilmt?“, wird der Autor am Ende gefragt. „Es gibt erste Anfragen, aber noch nichts Konkretes“, antwortet der. „Worüber schreiben Sie als Nächstes?“, will jemand wissen. „Einen Roman, der im Zuwanderer-Milieu in Mexiko spielt“, wieder unter Jugendlichen in prekärer Lage. Nachdenkliche Gesichter verlassen am Ende die Aula.