Neuenkamp. . Jede Woche erreichen neue Asylbewerber derzeit Duisburg. Da die Stadt nicht genug Plätze in Wohnheimen zur Verfügung stellen kann, werden die Flüchtlinge auch in Wohnungen untergebracht. 68 Personen wohnen nun in Neuenkamp. Nach anfänglicher Skepsis heißen alle die Neuen willkommen.
Fariz Amar und seine Frau Navad sitzen in ihrer Wohnung an der Javastraße. Die Bleibe ist spartanisch eingerichtet. Vor fünf Monaten kam die Familie mit ihren drei Kindern aus Afrin, Syrien. Die Stadt liegt nordöstlich von Aleppo. Die Familie gehört zur Religionsgruppe der Jesiden, einer kurdischen Minderheit. Als die Lage immer gefährlicher wurde, entschloss sich die Familie zur Flucht. Einen Monat dauerte die Reise. Ein Schlepper brachte sie erst mit einem Kleinbus in die Türkei, später versteckten sie sich in einem Lkw. Angekommen in Dortmund, schrieb der Schlepper ihnen die Adresse eines Asylbewerberheims auf einen Zettel und setzte sie in ein Taxi. Seitdem lebt Familie Amar in Deutschland.
Sie kamen mit nichts, außer ihrer Kleidung am Leib und einer türkischen Laute im Gepäck. Später wurden sie von Dortmund nach Herne und später dann nach Baerl geschickt. In Neuenkamp bekamen sie schließlich eine Wohnung zugewiesen.
Familie Amar freut sich
„Da wir nicht genug Wohnheimplätze haben, bringen wir die Familien auch in Wohnungen unter“, erklärt Horst Becker vom Amt für Soziales und Wohnen. In Neuenkamp wurden bisher 68 Personen untergebracht, die Wohnungen der Gebag standen ohnehin leer. Für die Familien ist es ein Spagat. „Die Wohnung ist schön“, sagt Navad Amar. Sie will sich nicht beklagen. Doch den Kontakt zu anderen bekommt man in einem Wohnheim leichter. Immerhin gibt es Herrn Hartmann. Der städtische Mitarbeiter war früher für das Ordnungsamt unterwegs, nun ist er als Sozialarbeiter im Einsatz. Er klingelt täglich bei den 16 Familien, schaut nach, ob in der Wohnung alles funktioniert und erklärt, welche Formulare sie ausfüllen müssen. „Die Sprache ist eine Barriere“, weiß Hartmann. Manchmal hilft er sich mit dem „Google Translator.“
Zur Grundausstattung einer Wohnung gehören Herd, Kühlschrank, Waschmaschine, ein Tisch, Stühle sowie Betten. Besen, Wäscheständer, Spielsachen für die Kleinen, das alles haben Nachbarn für die Amars organisiert. „In Neuenkamp heißen wir Neue willkommen. Hier im Dorf ist der Zusammenhalt groß“, erklärt Heike Tilgner. Sie leitet den Stadtteiltreff der Diakonie „Mittendrin“, der sich ebenfalls in einer Gebag-Wohnung befindet. Dabei gab es anfangs auch hier Bedenken unter den Nachbarn, gibt sie zu. Die Sorge war groß, dass der Stadtteil vermüllt und„Problemhäuser“ entstehen. „Da wird viel mit der Zuwanderungsdiskussion vermischt“, weiß Becker. Doch die Sozialverbände und Vereine, die sich in Neuenkamp regelmäßig zum Runden Tisch treffen, machten deutlich, dass sie die Familien unterstützen. Als dann die ersten Asylbewerben kamen und klar wurde, dass sie Kleidung und Spielsachen brauchen, aktivierte jeder sein Netzwerk. Familie Amar freut sich über so viel Hilfsbereitschaft.
Gardinen und Spielzei
Einmal in der Woche bietet Heike Tilgner im Zentrum „Mittendrin“ einen Mutter-Kind-Sprachkurs an. „Wir bringen den Müttern bei, wie sie sich beim Penny-Markt an der Kasse verständlich machen können. Oder, wie sie einen Kinderarzt in Duisburg finden“, erzählt sie.
Vanessa Bothe engagiert sich ehrenamtlich und hilft Heike Tilgner beim Kurs. „Ich habe mal eine Zeit in den USA gelebt, ich weiß, wie man sich in einem fremden Land fühlt“, erklärt die Mutter von vier Kindern. Zusätzlich betreut sie noch eine Familie, besucht diese zu Hause. „Wir verständigen uns manchmal mit Händen und Füßen, aber wir verstehen uns immer“, beschreibt sie das herzliche Verhältnis. Und jedes Mal, wenn sie die Familie im Stadtteil trifft, wird sie zum Tee trinken eingeladen.
Auch für Marlies Bergner-Pries war es Ehrensache zu helfen. Die Neuenkamperin sammelt Bettwäsche und Gardinen. Bei ihr im Haus wohnt nun auch eine Flüchtlingsfamilie. „Ich habe dann angeschellt und gesehen, dass in der Wohnung gar keine Gardinen hängen. Da bin ich sofort zu mir, habe welche gesucht und ihnen vorbeigebracht.“ Und in der Familie wurde kistenweise Kinderkleidung aussortiert. Manchmal sehen sie nun Jungen und Mädchen in ihren alten Hosen und Pullovern auf dem Spielplatz. Dann freuen sie sich, dass ihre Hilfe direkt ankommt.
Nidal Hussein ist der einzige Ehrenamtliche, dessen Muttersprache Syrisch ist. Hussein kam selbst als Flüchtling nach Deutschland. An die ersten Monate in der Bundesrepublik kann er sich noch gut erinnern. „Die Deutschen waren sehr offen und hilfsbereit, aber die Ämter sind strikt.“ Inzwischen hat er eine Ausbildung zum Kulturmittler gemacht – und hilft in Neuenkamp nun den Neuankömmlingen bei Behördengängen.