Huckingen. . Bestatter sind vielbeschäftigte Leute. Sie sehen jeden Tag dem Tod ins Auge und müssen trotzdem Würde bewahren. Und sie müssen Arbeiten verrichten, vor denen sich mancher mit Schaudern abwenden würde. Aber auch die letzten Angelegenheiten eines jeden müssen erledigt werden.

Der Sarg muss genau senkrecht zur Stirnseite der Kapelle stehen. Bestatterin Verena Scheuten erklärt mir, wie ich die Holzkiste ausrichten muss. Im Umgang mit Toten ist Korrektheit gefragt. Fast hätte ich vergessen, dass im Sarg ein Mensch liegt. Ich, der Journalist, bin einen Tag lang als Bestatter unterwegs. Nach meinen anderen Mitmach-Einsätzen beim Paddeln und als Laufsteg-Model vergeht mir diesmal das Lachen sehr schnell.

Der Tag beginnt mit einer Fahrt nach Rahm. Scheuten hat dort vor zwei Jahren die ehemalige neuapostolische Kirche als hauseigene Kapelle übernommen. Hier können Angehörige ungestört vom Verstorbenen Abschied nehmen, können Trauerfeiern ganz nach ihren Vorstellungen gestaltet werden. Die beiden Mitarbeiter Hubert Tillmann und Edgar Dergue sind bereits mit dem Bestattungswagen vorgefahren. Sie laden den Sarg eines verstorbenen Krefelders aus und schieben ihn in die Kapelle. Dabei ist kräftiges Anpacken angesagt, denn der Verstorbene wog zwei Zentner.

Leichen sehen selten gut aus

Zurück im Büro in Huckingen, weiht mich Verena Scheuten in ihre Büro-Organisation ein. Mindestens ein Trauerfall stellt sich bei Scheuten jeden Tag neu ein. Das wäre zu viel für mich. Die Angehörigen haben die verschiedensten Wünsche: Blumen, ein Sänger, Trauerkarten mit Foto... Scheuten führt Laufzettel für jeden Verstorbenen.

Die Bestatterin ist viel unterwegs. Es geht hinter dem Bestattungswagen zum Bethesda-Krankenhaus nach Hochfeld. Über einen Seiteneingang gelangen wir zu den Kühlkammern. Hier wird ein leerer Sarg angeliefert. Hubert Tillmann öffnet die Kühlkammer, zieht die Bahre mit dem Leichnam einer alten Verstorbenen heraus. Er ist in ein weißes Tuch gehüllt. Das Tuch wird entfernt und das gibt den Blick frei auf einen fast unbekleideten Körper. Arme und Oberschenkel sind vom langen Liegen gezeichnet. Es riecht nach Tod. Der Geruch bleibt mir über Stunden in der Nase. Auch ich ziehe Gummihandschuhe an. Mit vereinten Kräften heben wir den geschundenen Körper mit dem offenstehenden Mund von der Bahre in den Sarg. „Ich schaue zwar hin“, sagt Verena Scheuten“, die hier nur assistiert, „vergesse dann aber gleich wieder.“ Das kann ich als Anfänger nicht. Mir wird der Anblick nicht so schnell aus dem Kopf gehen. Das Restprogramm erledigt die 33-Jährige alleine: Sie wäscht den Leichnam, kleidet die Frau an und macht sie so zurecht, dass die Angehörigen Abschied nehmen können.

Im Krematorium

Nach einem kurzen Gang zum Sekretariat der Klinik, wo der Totenschein für die Verstorbene abgeholt wird, treffen wir den Bestattungswagen am Krematorium wieder. Hier wird der Sarg bei vier Grad neben 20 anderen Särgen eingereiht, um bis zur Trauerfeier kühl zu lagern. Verena Scheuten trifft im Gang ihren Vater Friedhelm, der gleich mit Angehörigen einer anderen Ver­storbenen auf dem Waldfriedhof eine Grabstelle besichtigen wird. Die beiden werfen im benachbarten Kühlraum einen Blick in einen anderen Sarg. Friedhelm prüft, ob sich der Leichnam dieser Verstorbenen überhaupt noch eignet, um offen aufgebahrt zu werden. „In seltenen Fällen müssen wir davon abraten“, sagt die Tochter. Wieder eine unbekleidete Tote mit offenstehendem Mund. Der Abschied vom irdischen Dasein muss schwer fallen.

Wir fahren noch zum Polizeipräsidium, um Freigaben für eine andere Beisetzung abzuholen. Dann kehre ich an den Redaktionsschreibtisch zurück. Ich habe das Leben ein Stück lieber gewonnen.