Buchholz. .

„Was wir hier in Russland mitmachen müssen, kann ein Laie in der Heimat gar nicht begreifen. So etwas habt Ihr in der Wochenschau noch nie gesehen“. Im März 1943 schrieb Obergefreiter Ewald Preuß diese Zeilen an seine Eltern und die Geschwister. Friedhelm Roerig aus Buchholz fand die Feldpost seines Onkels im Nachlass seiner Eltern. Der Brief ist 70 Jahre alt. Das Thema, die grausame Realität im Zweiten Weltkrieg und die Auseinandersetzung darüber, ist immer noch aktuell, wie die Diskussion um den Fernseh-Dreiteiler „Un­sere Mütter, unsere Väter“ zeigt.

Das letzte Lebenszeichen

„Wir liegen im Schützengraben, dieser ist halb voll Schlamm und Wasser. Die Uniform steht vor Dreck und Schlamm. Ich selbst bin 14 Tage nicht gewaschen. Läuseplage bis zum Letzten, die Biester lassen einem keine Ruhe“. Der Briefbogen, auf dem dies alles in ordentlicher Handschrift steht, ist inzwischen vergilbt, die Bleistift-Schrift verblasst.

Anfang 20 war der Obergefreite Ewald Preuß, als er den Brief verfasste. Es war das letzte Lebenszeichen von ihm. „Offiziell ist er als vermisst gemeldet“, sagt Friedhelm Roerig, heute 77 Jahre alt. Natürlich geht die Familie davon aus, dass Ewald Preuß im Zweiten Weltkrieg gefallen ist. Seine Reni, das junge Mädchen, das er im Fronturlaub kennengelernt hatte, haben die Eltern nie getroffen. Dabei hatte der frisch Verliebte sie im Brief gebeten, „ein Urteil zu der Reni abzugeben“.

Friedhelm Preuß, der Neffe des Gefallenen, hat den Krieg als Kind erlebt. Er erinnert sich daran, wie die Wände wackelten, die Sirenen schrillten und das Licht ausging. Oft musste der Knirps, zu Kriegsbeginn vier Jahre alt, im letzten Moment von der Haustür weggezerrt und in Sicherheit gebracht werden. „Ich habe immer gerne an der Straße gestanden und geguckt, wie die Jagdbomber angeflogen kamen.“ Die Aufregung und Sorge der Erwachsenen konnte er nicht recht nachvollziehen.

Auch der bedrückte Gesichtsausdruck desjenigen, der den Müttern oder Ehefrauen in der Siedlung die Nachricht über den Tod ihres Sohnes oder Mannes überbringen musste, blieb ihm nach all den Jahren im Gedächtnis.

Das Ende des Krieges verbrachte Roerig in einem kleinen Dorf in der Nähe vom thüringischen Gera. „Für mich war das eine schöne Kindheit mitten auf dem Land“, sagt das Großstadtkind.

Über die Nazizeit und die Kriegserlebnisse sprach man in der Familie, wie es so üblich war, tunlichst nicht. „Allerdings war mein Vater nicht an der Front. Ihm wurde in jungen Jahren eine Niere entfernt, das war im Nachhinein ein Glück für ihn“, sagt der Sohn.