Buchholz. .
Erich Schulz begann 1941 eine Ausbildung zum Tischler. Nun hat seine Witwe Gertrud den alten Vertrag entdeckt - er zeigt, wie abhängig die Lehrlinge von der Gunst der Chefs waren.
Die alte Zeit, das macht Gertrud Schulz ganz deutlich, will sie nicht zurück. Nicht dass jemand auf die Idee kommt, sie könnte zu denen gehören, die allzu schwärmerisch von „damals“ sprechen. Den Lehrvertrag ihres Mannes liest sie aus anderen Gründen: „Da können die jungen Leute mal sehen, wie gut sie es heute haben.“
Abhängig von der Gunst des Chefs
Ihr verstorbener Mann Erich begann 1941, also mitten im Zweiten Weltkrieg, eine Ausbildung zum Tischler. Nun hat Gertrud Schulz (80) beim Ausmisten den Kontrakt wiedergefunden – ein interessantes Dokument, das belegt, wie abhängig die Lehrlinge seinerzeit von der Gunst des Vaters und des Vorgesetzten waren.
Erich Schulz war 15, als er bei Schreinermeister Wilhelm Eckhardt in die Lehre ging. Der Vertrag endete 1944 nach drei Jahren. Das NS-Regime hätte jedoch jederzeit eine längere oder kürzere Azubizeit verfügen können. Unter anderem heißt es: „Wird durch den Reichsarbeitsminister eine andere Lehrzeit als die im Lehrvertrag vereinbarte festgelegt, so gilt diese.“ Von Verhältnissen und Löhnen wie 2012 konnten die jungen Männer vor 70 Jahren nur träumen. Im ersten Lehrjahr gab’s ein karges Wochensalär von 2,20 Mark. Wobei, „das war damals viel Geld“.
Was auffällt: Bis auf einen Stempel der Handwerkskammer mit integriertem Hakenkreuz scheint das vier Seiten umfassende Werk frei von direkter Nazi-Propaganda. Die Vorschriften, denen sich Erich Schulz und die anderen Lehrlinge seinerzeit unterwerfen mussten, zielten eher auf das Verhalten. Beispielsweise erklärte der Ausbilder in dem Papier, er wolle den Lehrling zum sonntäglichen Gottesdienstbesuch anhalten. Vergeblich: „Mein Mann hat sich nicht dran gehalten.“ Außerdem war der Auszubildende zu „anständigem Betragen“ verpflichtet. Und: „Der Lehrling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen.“
„Da lach ich heute drüber“
Gertrud Schulz nimmt solche historischen Eigenarten mit Humor. „Da lach ich heute drüber.“ Trotzdem: „Ich möchte nicht, dass junge Leute so einen Vertrag unterschreiben müssten. Was geht das den Chef an, ob ich in die Kirche gehe oder nicht?“ Sie will das Dokument für ihren Enkel aufbewahren. „Was der damit macht, ist seine Sache. Aber er soll auch noch was davon haben.“ An den Krieg hat die Buchholzerin schlimme Erinnerungen. „All die Bombennächte, all die Armut! Ich kann es nicht verstehe, wenn Ältere von der guten alten Zeit erzählen. Für mich war es schön, weil ich damals noch jung war und mich besser bewegen konnte. Aber für Einzelne ist die Welt immer gut.“
1956 heiratete sie ihren Erich. 1995 starb er. Nach seiner Tischlerlehre arbeitete er als Zimmermann auf dem Bau. Unabhängig von den Begleitumständen war die fachliche Ausbildung gut. „Wenn mal ein Regal kaputt war“, sagt Gertrud Schulz, „mussten wir nie jemanden rufen. Das hat mein Mann immer selbst wieder hingekriegt.“