Hüttenheim. . Ehrenamtliche geben Hefte und Tornister aus. Dabei gibt es schon 100 Euro staatliche Hilfe je Kind. Die investieren Eltern aber gerne in andere Dinge.
Die Özcans* haben einen Malkasten für den Sohn ergattert. Dazu Hefte, Stifte, Füller und Pinsel für den Kunstunterricht. Im Gegenzug haben sie fünf Euro in der Schulmaterialkammer in der Maria-Himmelfahrt-Kirche gelassen. Auch die Ausstattung für Sohn zwei kostet fünf Euro. Mehr als zehn Euro werden die Özcans in diesem Schuljahr nicht für die Ausrüstung ihrer Söhne ausgeben.
Die Familie gehört zum Kreis der Hartz-IV-Empfänger. Für die hat eigentlich der Staat vorgesorgt. 70 Euro je Sohn beträgt die Pauschale, die es zum Schuljahresbeginn gibt. Nochmal jeweils 30 Euro gibt es zum 1. Februar. Macht 200 Euro im Jahr für die Özcans, eigentlich zweckgebunden für Schulmaterial. 190 Euro davon werden die Özcans anders ausgeben. Wofür denn? Da schweigen die Hartz-IV-Empfänger.
Betrug nicht ausgeschlossen
„Man kann nie ausschließen, dass uns jemand betuppt“, sagt Caritas-Sozialarbeiter Horst Ambaum, der mit ganzem Herzen für die Schulmaterialkammer kämpft. Es sei richtig zu helfen: „Für die Erstausstattung kommt man niemals mit der Pauschale aus.“ Und es gehe ja auch um die Menschen, die gerade so die Hartz-IV-Grenze verfehlen. „Die Kirchengemeinden melden uns Menschen, die unsere Hilfe wirklich nötig haben“, sagt Ambaum. Ergebnis sei echte Dankbarkeit vieler Familien.
Ehrenamtliche aus Katholischer und Evangelischer Kirche stemmen, begleitet von der Caritas, Jahr für Jahr die Schulmaterialkammer im Süden. Zahlreiche Sponsoren finanzieren den Einkauf von Heften und Stiften. Nach der heißen Phase zum Schuljahresbeginn hat die Kammer einmal wöchentlich geöffnet, so dass sich Bedürftige auch mit Nachschub versorgen können.
Die Hartz-IV-Pauschale sei kein Ersatz für die Materialkammer, sagt Ambaum. „Oft kommt das Geld gar nicht bei den Kindern an.“ Viele Familien seien verschuldet, das Geld werde gleich für andere Zwecke ausgegeben. Und da sei es ja richtig, den Kindern direkt Hefte in die Hand zu drücken. Lehrer berichten von Familien, die sogar Tornister aus der Materialkammer weiterverkauften. „Einzelfälle, die man nicht ausschließen kann“, sagt Horst Ambaum.
Warum gibt es keine Zusammenarbeit zwischen dem Jobcenter, das die staatliche Hilfe auszahlt, und Schulmaterialkammer? Warum wird das Geld nicht über Gutscheine ausgezahlt? „Zu viel Aufwand“, vermutet Ambaum. „Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch haben wir die Möglichkeit, die Verwendung des Geldes zu überprüfen“, heißt es auf Nachfrage im Jobcenter. Es gebe übrigens keine Beschwerden darüber, dass das Schulmaterial-Geld nicht ausreiche. Beihilfen für Klassenfahrten gibt es noch extra auf Antrag.
Bei so manchem Beobachter sorgte die Tatsache für Naserümpfen, dass die Schulmaterialkammer nur Markenmaterial ausgibt. Man könne gerade den Ärmeren keinen Billigkram andrehen. „Wir wollen nicht, dass die Kinder stigmatisiert werden“, sagt Ambaum. So traurig es sei: Ohne Markentornister sei ein Kind auf dem Schulhof Außenseiter. „Unter Scout geht da gar nichts.“