Mündelheim.

Ein guter Zuhörer war Mike Dietzsch schon immer und in der Schule galt er als „soziales Kerlchen“. Die Bewohner des Malteserstifts St. Sebastian kennen ihn als jungen Mann, dem man Vieles erzählen kann. Auch über vergangene Zeiten. Erst kürzlich hat ihm ein alter Herr von seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg berichtet. „Ich merkte, dass das Erinnerungen waren, die er wohl lange in sich vergraben hatte. Nach dem Gespräch hat er mich dankbar umarmt“, erzählt der 17-Jährige.

Mike Dietzsch ist „Bufdi“ (Bundesfreiwilligendienstleistender) und im Mündelheimer Seniorenheim im Einsatz. Nach dem Hauptschulabschluss an der Gesamtschule Süd entschied sich der Sermer für ein soziales Jahr. Vorerfahrung in der Betreuung älterer Menschen hatte er nicht. „Ein Kfz-Mechaniker hat es mit einem toten Gegenstand zu tun, einem Auto, hier aber arbeitet man mit Menschen, man muss einfühlsam sein. Man hat mich hier gut herangeführt an meine Aufgaben“, sagt er.

Mit den Senioren spazierengehen, ihnen vorlesen oder mit ihnen klönen - das zählt zum Alltag der Bufdis in St. Sebastian. Mike Dietzsch aber bekundete sofort Interesse an der Pflege. Er begleitete das Pflegepersonal, half mit, „wo er konnte“. Mittlerweile ist er fast nur noch pflegerisch tätig. Sein Motto: „Ich behandele die Bewohner so, wie ich selber gerne behandelt würde. Wenn Körperkontakt notwendig ist, wie beim Waschen, frage ich nach, ob mein Vorgehen okay ist.“

„Sanft“ umgehen müsse man mit den älteren Leuten, „Ruhe und Geduld haben wie eine Auster“. Dietzsch hat beides - und wusste daher auch schon nach den ersten zwei Monaten: „Das machst du, das liegt dir.“ Im Sommer beginnt er eine Ausbildung zum Altenpfleger - ebenfalls in St. Sebastian.

Mit ihm startet auch Noch-Bufdi Manuela Neumann in die Ausbildung - es ist ihre zweite. Die 22-Jährige ist bereits Kinderpflegerin. „Weil der Job aber keine Zukunft hat, versuche ich es in einem anderen sozialen Beruf“, erzählt sie. Als Mündelheimerin kannte sie sogar einige der Bewohner schon vorher. Und hatte aufgrund eines Pflegefalls in der Familie erkannt, „dass viele alte Leute Hilfe brauchen.“

Im Wohnbereich „Roßkothenhof“, in dem 80 bis 90 % Demenzkranke leben, wird Manuela Neumann mit besonders Hilfsbedürftigen konfrontiert. Mit Menschen, die nicht mehr äußern können, was sie wollen, die nicht kooperativ sind, weil sie Handlungen nicht mehr nachvollziehen können. Es geschieht auch, dass ihre Schützlinge sie nicht mehr wiedererkennen. „Dann muss ich mich eben nochmal neu vorstellen“, sagt die Freiwillige pragmatisch, sie setzt ebenfalls auf Ruhe und Behutsamkeit. „Wenn man sich etwas mit der Krankheit beschäftigt und gewisse Fähigkeiten entwickelt hat, um mit dementen Leuten umzugehen, dann ist das gar nicht mehr so schwierig. Ich habe mir bei den Kollegen hier auch viel abgeguckt.“

Neben der Pflege übernimmt die 22-Jährige auch Aufgaben am PC (so die tägliche Dokumentation). Außerdem bestückt sie die Pflegewagen neu oder hilft in der Küche mit. „Wenn Zeit bleibt, lese ich den Bewohnern aus der Zeitung vor, gehe mit ihnen an die Luft, singe mit ihnen“, sagt sie. Mit dem Tod umgehen müssen die Bufdis natürlich auch. „Man ist traurig, wenn ein Bewohner stirbt, darf sich das aber nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Das Leben ist gleichzeitig der Tod. Das gehört dazu“, so Neumann.

Keine Trauer ist am heutigen Fuß­ballabend angesagt. Im Veranstaltungsraum des Stiftes findet ein „Public Viewing“ statt. Auch Mike Dietzsch will vorbeischauen, zusammen mit seinen Senioren gucken. „Wenn die Bewohner aufblühen, geht es mir auch gut“, sagt er.