Buchholz.

Viele Eltern wünschen sich ein hochbegabtes Kind, das es im Leben leicht hat und es zu etwas bringt. Aber nur zwei von hundert Kindern bzw. Erwachsenen sind hochbegabt, haben einen Intelligenzquotienten (IQ) von 130 und mehr. Nur die Hälfte von ihnen wird je erkannt. Und manche haben es gerade aufgrund ihres Genies nicht leicht. Im Katholischen Familienzentrum St. Judas Thaddäus drehte sich jetzt alles um das Thema Hochbegabte. Referentin war die Diplom-Pädgagogin Vera Losemann aus Stadtmitte.

Das Vertrackte an der Hochbegabung ist, dass sie durchaus mit großen Schwächen einhergehen kann. Losemann berichtete von einem Kindergartenkind, das zwar schon die unterschiedlichen Typen von Feuerwehrautos auseinanderhalten kann, aber nicht imstande ist, etwas zu malen. Oder von dem Jungen, der seine Eltern daheim mit seinem Zahlengedächtnis beeindruckt, in der Schule dagegen nur mit Ach und Krach mitkommt, sein Talent für sich behält. Dafür haben die kleinen Genies oft Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen, die noch nicht so viel können wie sie, weshalb sie gern die Nähe zu Älteren oder Erwachsenen suchten, so die Referentin. Mit solchem Verhalten werde man aber schnell zum Außenseiter.

Kennzeichen der meisten Hochbegabten sei, so Vera Losemann, dass sie nahezu auf allen Feldern überragen würden: sprachlich, musikalisch, mathematisch, technisch-konstruktiv, bei der körperlichen Geschicklichkeit, bei der Faszination von der Natur, bei der Erfassung sozialer Zusammenhänge und bei der Beschäftigung mit dem Sinn des Lebens. Die Referentin warnte davor, Intelligenztests zu hohen Stellenwert beizumessen. Stabil könne man Intelligenz erst ab dem 14. Lebensjahr messen. Davor gebe es starke Schwankungen - und Messfehler: „Hochbegabte Kinder sind sehr langsam“, warnte sie, „wegen ihres Perfektionismus.“ Der zähle aber nicht.

Und so reicht das Spektrum der Auffälligkeiten bei ihnen denn auch von gelangweilt sein über fehlendes Interesse an altersgerechten Aktivitäten bis hin zu Besserwisserei und Clownerie. Schlimmstenfalls fühlten sie sich von der Welt unverstanden, würden Angstgefühle aufweisen oder Wut und Ärger empfinden. Und dazu hätten sie auch noch mit Vorurteilen zu kämpfen, etwa denen, ihre Eltern würden sie hochpuschen, sie seien überall Einser-Kandidaten, jedoch sozial zurückgeblieben.

Jahrelange Unterforderung hochbegabter Kinder führt nach Angaben von Vera Losemann je­denfalls zu Phänomenen wie Leistungsverweigerung, hohem Krankenstand, zum Verlust von Selbstvertrauen, Schlaf- bzw. Essstörungen, psychosomatischen Leiden - und dem überraschenden Verschwinden dieser Probleme in den Ferien. Zu den gleichen Phänomenen führe es jedoch auch, wenn Kinder fälschlicherweise für hochbegabt gehalten und systematisch überfordert würden.

Und so mochte sich die Therapeutin nicht dazu durchringen, unbedingt das Testen der Kinder zu empfehlen. Das sei erst ab dem sechsten Lebensjahr sinnvoll. „Wer will es wissen und warum?“, fragte sie. Sie riet stattdessen, sich als Eltern genau auf sein Kind einzustellen. „Wenn die Beziehung zu Ihrem Kind stimmt, werden Sie seine Bedürfnisse kennen, wird die Förderung stimmen.“ 90 % der Hochbegabten kämen gut durch die Schule, so Losemann. Die übrigen zehn Prozent würden entweder dadurch auffallen, dass sie mehrfach sitzen blieben oder gleich mehrere Klassen überspringen könnten.

Intelligenztests messen schnelle Auffassungsgabe, Merkfähigkeit, Einfallsreichtum im Umgang mit Schwierigkeiten und die Fähigkeit, mehrere Informationen zügig verarbeiten zu können. Und dabei erweist sich, dass Intelligenz „normalverteilt“ ist: Es gibt also ganz viele Menschen mit mittlerer Intelligenz und nur wenige mit niedriger oder sehr hoher.

So weisen je 34 % der Bevölkerung einen IQ zwischen 100 und 115 sowie zwischen 85 und 100 auf, je 14 % sind mit einem IQ von 116 bis 129 besonders intelligent bzw. mit 71 bis 84 lernbehindert. Je zwei Prozent der Bevölkerung sind hochbegabt (IQ ab 130) bzw. geistig behindert (IQ unter 70).