Bissingheim. .
Ungelsheim lässt grüßen. Im Sommer 2009 schloss dort der einzige Lebensmittelmarkt. Während jedoch sein Betreiber den Rückzug gewollt hatte, ringt Atakan Boyaci, Inhaber vom gleichnamigen Frischmarkt am Dorfplatz, um die Existenz seines Geschäfts. „Wenn sich nichts ändert, muss ich im Sommer schließen“, sagt er.
Der Umbau des Dorfplatzes habe ihm die Existenz abgegraben, sagt er. „Ab dem Tag der Baustelle ist mir der Umsatz um 25 bis 30 % eingebrochen“. Seit über einem Jahr ist der Platz zwar fertiggestellt. Boyacis ehemalige Kunden aber sind nicht zurückgekehrt, haben sich anders orientiert.
Vergeblich hat der Kaufmann versucht, gegenzusteuern, hat sein Personal der geringeren Nachfrage angepasst und ist in die Preisoffensive gegangen. Ohne Erfolg. „Macht es überhaupt noch Sinn, hier weiter zu kämpfen?“, fragt er.
2008 hatte er den ehemaligen Edeka-Markt von Gabriele Spieker übernommen, mitsamt neun Mitarbeitern, davon vier in Vollzeit. Fortan war er aber nicht mehr von Edeka direkt beliefert worden, sondern über einen Zwischenhändler, also nicht mehr mit den alten Preiskonditionen. „Trotzdem konnte ich von den Erträgen bis 2010 gut leben“, berichtet Boyaci. Auf 200 Quadratmetern Verkaufsfläche führt er ein breites Sortiment: von der Büroklammer bis zur Zahnbürste, von der Banane bis zum Frischfleisch.
Auf der gleichen Verkaufsfläche könnte er an einem günstigeren Standort den doppelten Umsatz machen. Vor Ort aber, klagt er, habe sich das Einkaufsverhalten der Bevölkerung verändert. Jedes zehnte Lebensmittel, das im Ort verzehrt wird, müsste er verkaufen, um auch preislich mithalten zu können. „Davon könnte ich gut existieren“, sagt er. Tatsächlich aber seien es nur 2,5 bis drei Prozent der Kaufkraft, die er bindet. „Viele Bissingheimer erledigen ihre Haupteinkäufe außerhalb, so am Sternbuschweg in Neudorf oder in Huckingen“, sagt der Einzelhändler. „Vom Verkauf einer Tüte Milch, die man dort vergessen hat, kann ich jedoch nicht leben.“ Und so groß seien die Preisunterschiede bei den einzelnen Produkten gegenüber anderen Anbietern nicht, meistens läge er um zehn Cent darüber. „Was ist den Bissingheimern der Luxus wert, alle Artikel am Ort verfügbar zu haben?“, fragt er.
Jede zweite Woche erhalten 1500 Haushalte im Ort die Wurfsendung mit seinen Sonderangeboten. „Die Angebotspreise“, so Boyaci, „sind überall vergleichbar.“ Seit Mitte 2009 liefert er im Ort außerdem frei Haus, also auf telefonische Bestellung - ohne Aufpreis. Eingetragen haben ihm die Aktionen bislang wenig.
Gerüchte, „Netto“ würde das Ladenlokal übernehmen, seien falsch. Dazu sei es viel zu klein. „Ich will das Schiff nicht sang- und klanglos untergehen lassen.“ Die Bissingheimer sollten es vorher schon wissen - auch mit Rücksicht auf die guten Kunden, die es natürlich auch gibt.
Natürlich hat sich der Einzelhändler gefragt, ob er irgendetwas verkehrt macht. Aber er bietet Zeitschriften an, ebenso Postdienste, dazu Getränke, Spirituosen und Süßwaren. „Im Februar hat unser Radio-Fernseh-Geschäft geschlossen“, berichtet er. Das Geschäft stehe leer. Das Fußpflege- und Nagelstudio mache nur noch Hausbesuche. An seiner Stelle wird jetzt Thai-Massage angeboten. Und die örtliche Tankstelle gibt es schon seit November nicht mehr. Das spreche doch eher für einen allgemeinen Trend.