Süd. . Da angesichts der steigenden Anzahl alter Menschen eine Finanzierung von Altenheimplätzen immer schwieriger wird, ist der Ausbau ambulanter Angebote notwendig. Eines davon ist die Tagespflege.

Zwei betagte Damen, offensichtlich keine Angestellten, sitzen in der Küche und schälen Kartoffeln für den Möhrentopf am Mittag. Müssen die alten Leute denn hier arbeiten? „Keine Sorge. Das gehört zum Konzept“, beruhigt Michael Schaus skeptische Beobachter.

Die alten Menschen sollen möglichst viele gewohnte Tätigkeiten weiterhin selbstständig erledigen. „Das ist ganz wichtig für das Selbstwertgefühl eines Menschen“, erklärt der Altenpfleger. Er leitet die Tagespflege im Malteserstift St. Hedwig, eine von zwei Einrichtungen dieser Art im Duisburger Süden. Ein Großteil der Besucher ist von Demenz betroffen. Darauf müssen sich die Mitarbeiter der Tagespflege einstellen.

„Menschen wollen sich nicht hilfsbedürftig fühlen“, so Schaus. Man solle ihnen durchaus noch etwas zutrauen. Es birgt zwar ein gewisses Risiko in sich, wenn der alte Herr - in Absprache mit den Angehörigen - nach dem Mittagessen innerhalb des Hauses selbstständig eine Runde dreht. „Andernfalls würde man ihn entmündigen“, meint Schaus. Und für den Fall, dass sich der Senior verläuft, hat er einen Zettel mit der Adresse der Tagespflege in der Tasche.

Jeweils zwölf Tagesgäste werden wochentags von 8 Uhr bis 16 Uhr im Malteserstift St. Hedwig betreut. Die meisten kommen mit dem Fahrdienst, manche an zwei Tagen die Woche, andere täglich.

Sie sollen sich in der Tagespflege zu Hause fühlen. Dazu trägt auch die Möblierung bei - die gemütlichen Ohrensessel, die alte Kommode mit den gestickten Deckchen und die Ölgemälde. Auf dem Tisch in der guten Stube liegt ein Stickrahmen, auf der Anrichte ein alter Schraubschlüssel - Alltagsge­genstände, die die Besucher ein Leben lang benutzt haben. „Wir knüpfen viel an die Vergangenheit an“.

Die Leute abholen, wo sie sich gedanklich befinden, nennt Schaus das. Dazu druckt er alte Fotos aus dem Ermland in Masuren, der Heimat eines Besuchers, aus. Oder Bilder vom Ausflug zum Rhein und vom Waschtag in Hüttenheim.

Insgesamt vier Mitarbeiter versuchen, auf die Bedürfnisse der Gäste einzugehen. Ganz wichtig für demente Menschen ist eine feste Tagestruktur. „Das sind die einfachen, immer wiederkehrenden Dinge“. Ein Lied singen oder das Vorlesen aus der Zeitung gehören dazu.

Schaus wünscht sich, dass Menschen bereits in einem frühen Stadium der Demenz in die Tagespflege kommen. Er hofft, dass das öffentliche Bekenntnis Rudi Assauers dazu beiträgt, das Thema zu enttabuisieren, so dass sich Leute frühzeitig zur Demenz „bekennen“ können.

Das hofft auch Günter Szalek von der Tagespflege an der Korbmacherstraße 2 in Mündelheim, die von „Erfolgreich pflegen“ betrieben wird. „Es gibt zu wenig Tagespflegeplätze im Duisburger Süden“, sagt Szalek. Als Erklärung führt er an, dass sich eine Tagespflege wegen des hohen Personalaufwands finanziell kaum lohne. „Wenn, dann muss die Einrichtung an eine ambulante oder stationäre Pflege angebunden sein“, so Szalek.

„Erfolgreich pflegen“ bietet neben dem ambulanten Pflegedienst seit rund einem Jahr 17 Tagesplätze im ehemaligen Gemeindehaus der Evangelischen Kirche an. Ein Personalschlüssel von 1:5 sei notwendig, so Szalek. Ideal, aber kaum umsetzbar, wäre es, wenn sich ein Mitarbeiter um drei Besucher kümmern könnte. Je stärker die Demenz fortgeschritten ist, umso aufwendiger ist die Betreuung.

Gerade für Menschen mit schwerer Demenz, die von der Familie betreut werden, sieht auch Bettina Vootz, Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft, einen ungedeckten Bedarf. Da angesichts der steigenden Anzahl alter Menschen die Finanzierung von Altenheimplätzen immer schwieriger werde, sei ein Ausbau der ambulanten Angebote zwingend notwendig. Vootz: „Die Tagespflege kann wesentlich zur Entlastung der Angehörigen beitragen“.