Wanheim.
Kindern mit Beeinträchtigungen selbst in der Freizeit keine Chance zu geben, den Stempel „behindert“ ablegen zu können, das wirft jetzt Veronika von Bargen (64) dem Reitverein Biegerhof vor. Es geht um Reitstunden für ihre beiden Pflegekinder.
Peter (14, Name geändert) und Paul (8, Name geändert) besuchen beide eine Waldorfschule in Essen mit einem Förderzweig für sozial-emotionale Entwicklung. Von Bargens ganze Sorge gilt diesen beiden Söhnen. Sie hat außerdem drei bereits erwachsene Kinder und fünf Enkel, wohnt seit elf Jahren im Ortsteil.
Vor Jahren nahmen Peter und Paul auf dem Biegerhof am therapeutischen Reiten teil. „Dort wurden sie gut gefördert“, sagt die Pflegemutter. Allerdings habe ihr das eines Tages nicht mehr genügt. Als Domizil für die Ferien und für lange Wochenenden suchte sie sich dann den Reichswaldhof in Goch aus, wo die Kinder ganz normal mit anderen Kindern das Reiten lernten.
Aber weil ihr die Fahrt nach Goch auf Dauer zu weit war, die Kinder zum Biegerhof jedoch alleine hätten radeln können, bat sie dort um eine Probe-Reitstunde im normalen Reiten. Der Reitverein lehnte die Aufnahme nach der Probestunde ab.
Von Bargen zerstritt sich mit den Verantwortlichen, wirft ihnen vor, Behinderte auszugrenzen statt zu fördern. „Es findet keine Inklusion statt“, sagt sie. „Die Kinder werden auf ihre Behinderung reduziert.“
Das aber weist Dirk Oostermeyer, Geschäftsführer des Reitvereins, weit von sich. Von Bargen habe die Behinderungen ihrer Pflegekinder verschwiegen. Die Jungs hätten enorme Sicherheitsprobleme aufgeworfen, hätten miteinander gerangelt und nervös an der Stalltüre hantiert. Das aber sei nicht akzeptabel, weil es die Pferde scheu mache. Wenn der Streit nicht wäre, hätten sie aber im therapeutischen Reiten auf dem Biegerhof anfangen können. Dabei gebe es überdies verschiedene Schwierigkeitsstufen.
Auch die Reitkünste der Jungen stellt Dirk Oostermeyer in Frage. Die „große Hufeisenprüfung“ bei dem Kleinen, sagt er, sie sei bloß ein Motivationszeichen, zeige also nicht viel an. Und der Große, der „hat nie im Leben nach seinen Reitkünsten das Reitabzeichen“, urteilt er. Die Pflegemutter sei uneinsichtig und verlogen. „Da haben wir kein Interesse dran.“
Die negative Einschätzung der Reitkünste beider Kinder durch den Reitverein Biegerhof können Klemens Terhoeven-Urselmann, Betreiber vom Reichswaldhof, und sein Bruder Hans-Gerd, Betreiber vom Reitercamp Hötzenhof in Uedem, nicht bestätigen. Dort haben die Jungen zuletzt geritten.
„Das war nicht so schlecht“, sagt Klemens zu den Reitkünsten des Großen. Es komme aber auf das Pferd und auf die Gruppe an. Letztlich sei das jedem Stallbesitzer selbst überlassen. „Er reitet nicht sehr schön, hält aber sehr gut das Gleichgewicht“, ergänzt Bruder Hans-Gerd. „Der ist ganz problemlos, sehr umgänglich, ein ganz lieber Junge.“ Das Reitabzeichen habe er ganz reell gemacht.
Und zur Hufeisenprüfung des Kleinen sagt Hans-Gerd: „Wenn man es nicht schaffen würde, fällt man auch durch.“ Und Paul habe es geschafft. Allerdings würde das Reitabzeichen von richtigen Turnierrichtern abgenommen.
Veronika von Bargen hat mit ihren beiden Schützlingen auf Gut Hülchenrath in Ratingen-Lintorf ein neues Reit-Domizil gefunden. „Da hab’ ich keine Bedenken, dass der hier nicht reiten kann“, sagt Inhaber Dirk Bolten über Peter. „Er war auch vom sozialen Verhalten her nicht unangenehm.“ Für seine Pflegemutter ist Lintorf aber wieder mit Fahrerei verbunden.