Großenbaum. .

Glaube kann Berge versetzen: Nur in Eigenarbeit haben die 350 Mitglieder der Duisburger Evangeliumskirche „Glaubensgeneration“ mitten im Gewerbegebiet ihr Gemeindezentrum errichtet. Das zweistöckige, große Gebäude an der Albert-Hahn-Straße mit insgesamt 3200 Quadratmetern Fläche sieht von außen aus wie ein modernes Möbelhaus. Von „Kirche“ oder „Gotteshaus“ will Alexander Epp, Leiter dieser evangelischen Freikirche, selbst nicht sprechen. Offiziell läuft das Gemeindezentrum da­her unter der Bezeichnung „WERA Medienzentrum“ - nur so genehmigten die Duisburger Behörden den Bau des Gemeindezentrums. Denn die Glaubensgeneration ist durchaus umstritten, wird im Internet auch schon mal als „Psychosekte“ kritisiert…

Am Samstagmorgen haben sich 100 Gläubige im hellen, weiträumigen Veranstaltungssaal im Erdgeschoss zum Gebetsfrühstück versammelt. Auch Christen der Evangelischen Landeskirche haben den Weg hierhin gefunden, darunter der evangelische Pfarrer Jürgen Muthmann aus Wanheimerort. Denn heute beten, feiern und frühstücken protestantische und freikirchliche Gläubige zusammen im Rahmen der „Allianz-Gebetswoche“ in ganz Duisburg. Im Mai 2010 hatte die Evangelische Allianz die Glaubensgeneration in ihre Reihen aufgenommen, ein Vorgang, der in der ev. Landeskirche für Diskussionen sorgte.

Das Gebetsfrühstück erinnert an die Fernsehgottesdienste der Baptisten, Methodisten, Lutheraner, Pfingstler und Charismatiker in den USA: Volle zwei Stunden geht es hier sehr emotional, musikalisch, fast theatralisch zu. Hinter einem wuchtigen Holzkreuz spielt und singt auf der Bühne eine Band aus jungen Gemeindemitgliedern tiefreligiöse Popsongs: „Feiert Jesus, kommt feiert ihn!“ schallt es durch den Saal. Das klingt eingängig, schmissig, mitunter mitreißend. Voller Gefühl, voller Inbrunst, mit viel Temperament. Die Liedtexte auf russisch und deutsch wirft ein Beamer an die Wand. Die Gläubigen im Saal singen, klatschen, tanzen mit: „Ich laufe Dir entgegen, Herr, und sehe: Dein Reich kommt!“ Viele haben dabei die Augen geschlossen, manche wiegen sich wie in Trance, die offenen Hände in die Höhe gestreckt. Danach wird ein schmackhaftes Frühstück gereicht. Zeit zum Austausch…

Auch beim Gebet schließen Prediger Alexander Epp und seine Schäfchen fest die Augen. Der Gemeindevorstand betet und predigt eindringlich und deutlich, in fließendem Deutsch, mit einem leichten russischen Akzent, mit einfachen Worten und einer klaren Botschaft: „Wir danken Dir, dass wir Dich ehren dürfen. Wir ehren Dich und danken Dir!“ Die Fürbitten sprechen Gemeindemitglieder und Jürgen Muthmann. Der Vorsitzende der Allianz ist als Pfarrer der Evangelischen Landeskirche heute ein Gast in der freikirchlichen Gemeinde. Muthmann predigt über einen Satz in einem Brief des Apostels Paulus an die Korinther: „Wo Gottes Geist ist, ist die Freiheit.“ Der Geistliche mahnt: „Freiheit heißt heute, sich selbst zu verwirklichen: Ich zuerst, dann die anderen. Aber Freiheit erschöpft sich nicht in der Sorge um sich selbst. Freiheit ist auch immer die Freiheit der anderen.“

Freiheit ist aber auch immer die Freiheit der Andersdenkenden: Über die theologischen Unterschiede zwischen Evangelischer Landeskirche und der Evangeliumskirche „Glaubensgeneration“ sagt Prediger Epp, der aus Kasach­stan stammt und seine Kirche mit seiner Ehefrau Irina 1995 für russlanddeutsche Jugendliche in Not gründete: „Wir halten uns sowohl an das Alte wie an das Neue Testament. Beide sind für uns gleichwertig. Wir nehmen die Heilige Schrift als Wort Gottes und damit nahezu wörtlich.“ Doch die Kritik an der angeblichen „Psychosekte“ lehnt Epp strikt ab. Das seien Lügen, die ein Abtrünniger im Netz verbreite…

Extra-Info

Das Gebäude auf dem ehemaligen Gelände der Telekom an der Albert-Hahn-Straße hat die Gemeinde rund drei Mio Euro gekostet, die Baukosten wurden ausschließlich durch Spenden von Gemeindemitgliedern beglichen, so Irina Epp. Im Obergeschoss befinden sich ein großer Veranstaltungssaal mit ei­ner Bühne und Platz für 500 Besucher sowie eine Sport­halle. Die Ausstattung, u.a. umfangreiche Audio- und Videoanlagen, ist großzügig. Das so genannte WERA-Medienzentrum verfügt auch über eine Tiefgarage mit 45 Stellplätzen.

Vor der Einweihung des Gemeindezentrums hatte die 1995 von Alexander und Irina Epp gegründete Glaubensgeneration ihren Sitz an der Bergiusstraße in Ruhrort. Ihre Jugendarbeit bot die Gemeinschaft am Hagenshof in Obermeiderich an, wo besonders viele russlanddeutsche Familien wohnen. In Duissern war die Ev. Kirchengemeinde St. Martinus Gastgeber für die Gottesdienste.

Die Vorwürfe im Internet gegen die Gemeinde: Sie schotte sich immer mehr von der Außenwelt ab. Die Leitung übe auf die Mitglieder unzulässigen Druck aus, auch und besonders auf Abtrünnige. Mitglieder würden zu erheblichen Spendenzahlungen gedrängt. Armin Schneider, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises, hält das „fundamentalistische Bibelverständnis“ für problematisch.