Süd.

Wie sehr das Denken in ökologischen Zusammenhängen mittlerweile Verwaltungshandeln prägt, zeigte sich am Freitag bei einem Workshop zur Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU). Dazu hatten die Wirtschaftsbetriebe der Stadt eingeladen.

Rund 30 Personen, Vertreter von Behörden, aber auch interessierte Privatpersonen, hatten daran im Innenhafen teilgenommen. Die Moderation lag bei dem Bonner Planungsbüro von Prof. Dr. Thomas Zumbroich, der selbst durch den Workshop führte.

„Über 100 Jahre lang galt in stark besiedelten Räumen“, so Professor Zumbroich: „Vorhandene Wasserläufe müssen begradigt werden, um größere Mengen der oft stinkenden Ab­wässer bewältigen zu können.“ Dabei wurden ihr Lauf, etwa beim Neuen Angerbach, verkürzt und der Bachboden, die Sohle, befestigt. Der Preis dafür war, so der Geograph: „Das Gewässer geht als Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren.“ Hohe Unterhaltungskosten der geschaffenen Anlagen bedrücken zudem die Kommunen. „Je Kilometer der so begradigten Flussläufe gibt es bis zu drei Querbauwerke, mit denen ein Gewässer an das größere Gefälle angepasst wird. So wurden etwa künstliche Aufstiegshilfen für Fische geschaffen. An der Abnahme der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren änderte das wenig.

Im Jahre 2000 steuerte die EU um, erließ ihre Richtlinie, um das Gewässernetz europaweit einheitlich fortentwicklen zu können. Ziel war, die Gewässer entweder in guten ökologischen Zustand zu bringen oder aber wenigstens ihr Potenzial auf dem Weg dorthin zu verbessern. Bis 2005 war eine Bestandsaufnahme durchzuführen, bis 2007 ein Maßnahmenkatalog zu ent­wickeln. Zumbroich: „Bis 2012 sollten alle Maßnahmen umgesetzt werden.“ Das hat nicht gereicht. Stattdessen ist man jetzt soweit, 2012 mit ersten Maßnahmen zu beginnen und sie bis 2015 vielleicht abzuschließen.

Auf dem Weg dorthin sollte der Workshop den Planern konkrete Hinweise von Kennern der Örtlichkeiten liefern, worauf im Einzelnen noch zu achten ist. Das gelang indes nur teilweise, weil dafür am Ende die Zeit fehlte und manche Teilnehmer Belange einbrachten, Denkmalschutz etwa, die mit dem Thema direkt nichts zu tun haben.

Im Gewässer überhaupt planerisch handhaben zu können, wurden sie in Wasserkörper unterteilt. „Ein Wasserkörper ist ein relativ einheitlicher Abschnitt eines Gewässers mit mindestens zehn Quadratkilometern Einzugsgebiet“, so Zumbroich. Für Duisburg und Mülheim/Ruhr, die dabei kooperieren, resultierten daraus sechs Gewässer, die sich in 13 Wasserkörper untergliedern, etwa in den Ober- und Unterlauf des Wambachs, wobei der natürlich erhaltene Teil auf Mülheimer Gebiet verläuft, der erheblich veränderte auf Duisburger Gebiet.

War die Güte eines Gewässers bis dahin am Schadstoffgehalt gemessen worden, so wurden biologische Kriterien dafür entwickelt. „Am Vorhandensein bestimmter Tiere und Pflanzen sollte man den Zustand erkennen können“, so der Moderator. Und da ein vollständiger Rückbau der begradigten und teils verrohrten Läufe weder technisch noch finanziell zu leisten ist, wurde das Strahlwirkungskonzept entwickelt: Punktuelle Verbesserungen wirken sich auch auf den jeweils angrenzenden Bereich aus. Schließlich werden in nicht mehr naturnahen Bereichen ja „nur“ Verbesserungen angestrebt.

Prof. Dr. Thomas Zumbroich gab im Gespräch anschauliche Beispiele dafür, wie der Zustand eines Gewässers den Lebensraum prägt.

Generell gelte, dass sich im schmalen, schnell fließenden Oberlauf eines Bachs andere Organismen aufhalten als im langsamer fließenden, breiten Unterlauf. Art und Anzahl hingen aber auch von der Wassertemperatur, der Strömung, dem Nahrungsangebot und, bei Pflanzen, dem Licht ab.

„Betoniert man die Sohle“, sagt der Moderator, „fehlt es den Organismen an Rückzugsmöglichkeiten und Verstec­ken, so bei Hochwasser.“ Auch verschlechterten sich die Aufzuchtmöglichkeiten für den Nachwuchs, etwa für die Eiablage von Lachsen. Im Wasser des Kieslückensystems einer natürlichen Bachsohle herrschten gute Sauerstoffbedingungen. Wenn die Sohle verbaut oder mit Feinsedimenten verkittet sei, werde sie als Lebensraum unbrauchbar. So würden heute bei Straßenneubauten, etwa der B 8n, schon Regenrückhaltebecken angelegt, um die schädlichen Folgen einer stoßweisen Belastung der Bäche abzumildern.

Allerdings sei nicht mehr die Wasserqualität ein Problem, sondern Feststoffe darin, fortgeschwemmter Feinstaub zum Beispiel. Ausnahme: Hormonbelastung des Wassers als Folge hohen Fleischverzehrs. Noch unklar sei, weshalb sich der Aalbestand auf ein Hundertstel verringert habe.

Zu den Maßnahmen der Renaturierung gehören die Bereinigung von Sohle und Ufern ebenso wie das Einbringen von Totholz, das Lebensraum für weitere Organismen schafft, die Neuanlage von Auen oder deren Verbreiterung, das Entfernen von standortuntypischen Gehölzen, die heimischen Organismen schlechteren Lebensraum gewähren, die Anlage von Uferstreifen oder deren weniger intensive Nutzung. Damit aber sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert.

Die Anregungen der Workshop-Teilnehmer reichten vom Hinweis auf ausufernden Bärenklau am Dickelsbach über eine Aufweitung seiner Aue bei Großenbaum und eine Verbreiterung und Vertiefung vom Rahmer Bach bis hin zum Rückbau der Verrohrung vom Neuen Angerbach.

Ziel des Workshops war es übrigens, mögliche Einzelmaßnahmen zusammenzutragen. Davon sollen am Ende diejenigen verwirklicht werden, die mit den geringsten Mitteln den größten Nutzen bringen. Am 7. Februar 2012 findet ein zweiter Workshop statt, bei dem die Projekte konkretisiert werden.