Huckingen. .

Der volle Zuhörerraum im Steinhof schien es zu belegen: Viele Menschen leiden an häufigem Aufstoßen oder Sodbrennen. Über die so genannte Refluxkrankheit, den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, sprach dort im Rahmen der gemeinsamen „Sprechstunde“ von Maltesern und Betriebskrankenkasse-Novitas ein Spezialist: Dr. Thomas Wiedbrauck, Gastroenterologe am Malteser-Krankenhaus St. Anna.

Eigentlich ist die Magensäure dazu da, Bakterien so rechtzeitig abzutöten, dass sie im Darm keinen Durchfall mehr auslösen können. Aus verschiedenen Gründen macht sie aber zu schaffen, anstatt still ihren Zweck zu erfüllen. Das könne, so der Referent, daran liegen, dass der untere Speiseröhrenschließmuskel erschlafft sei, dass er von Geburt an nicht richtig schließe oder dass die Beweglichkeit der Speiseröhre beeinträchtigt sei. Dann gebe es Probleme mit der Selbstreinigung der Speiseröhre. Und das sei häufig eine Folge des Rauchens, das zu einem Mangel an Speichel führe. Andere Gründe könnten erhöhter Druck im Bauchraum bei Schwangeren, die erschwerte Magenentleerung bei Diabetikern, der krankhafte Durchtritt von Teilen des Magens durch das Zwerchfell oder der Rückfluss von Galle aus dem Zwölffingerdarm sein.

Nun würden sich die Gelehrten darüber streiten, ob in jedem Fall eine Magenspiegelung angesagt ist. Häufigstes Symptom sei schließlich bei 80 % der Patienten mindestens zwei- bis dreimal wöchentlich starkes Sodbrennen. Wenn es jedoch bei Gabe von Säureblocker-Tabletten verschwinde, sei damit schon der Nachweis erbracht.

Dennoch sprach sich Dr. Wiedbrauck für die Magenspiegelung aus, selbst wenn nur bei 40 % der Patienten dabei eine sichtbare Entzündung feststellbar sei. Es gelte, Komplikationen oder andere Ursachen möglichst früh auszuschließen.

20 % der Erkrankten hätten jedoch nie Sodbrennen. Sie würden über den Rückfluss von Mageninhalt in Rachen oder Mund klagen oder über saures Aufstoßen. Denkbar seien auch Schmerzen hinter dem Brustbein oder im Oberbauch sowie Husten oder eine Kehlkopfentzündung.

Zunächst könnten die Betroffenen selbst etwas tun. Eine Schrägstellung der Matratze in der Nacht um zehn bis 15 Zentimeter im Kopfbereich verhindere den Rückfluss in der Nacht. Wer darunter aber nur am Tag leide, dem nütze das nichts. Man könne das Rauchen einstellen, könne Kaugummis kauen, was den Speichelfluss anrege. Da 25 % der Erkrankten Übergewicht hätten, nütze auch das Abnehmen. Keinesfalls sollte man ein Bauchkorsett tragen.

Als Verstärker des Magensäure-Rückflusses gelten Schokolade und andere Süßigkeiten, opulente Mahlzeiten, Alkohol, saure Getränke wie Coca-Cola, Wein und Orangensaft, das Hinlegen mit vollem Magen, Beruhigungsmittel und bestimmte Herzmittel. Dr. Wiedbrauck warnte vor dem alten Hausmittel Na­triumhy­drogenkarbonat, das zu Komplikationen bei Bluthochdruck führen könne.

Die Therapie der Refluxkrankheit besteht darin, die Säureproduktion zu puffern oder einzudämmen, nicht also den Rückfluss zu beenden.

„So genannte H2-Säure­bloc­ker mindern die Säureproduktion für vier bis sechs Stunden“, so der Oberarzt. Am wirksamsten jedoch seien so genannte Protonenpumpenhemmer, die ein säurebildendes Enzym blockieren würden. „Ihre Wirkdauer beträgt 16 Stunden“, sagt der Magen-Darm-Experte: aber nur, wenn sie eine halbe Stunde vor dem Frühstück genommen würden. Ihre volle Wirkung würden sie erst nach drei bis vier Tagen entfalten. Nebenwirkung sei ein leicht erhöhtes Risiko von Brüchen von Oberschenkelhals oder Wirbelkörpern, eine Wechselwirkung mit bestimmten Herzmitteln nicht auszuschließen.

Bei der Behandlung könne man langsam verfahren, erst den Lebensstil ändern, dann Diät halten, schließlich Medikamente nehmen. Dr. Wiedbrauck selbst favorisiert aber gleich die Gabe von Medikamenten. In den meisten Fällen zeigten sich nach vier Wochen deutliche Erfolge. Nach drei Monaten ohne Beschwerden gilt man als geheilt. Oft würden aber auch die Tabletten nicht regelmäßig eingenommen oder die Dosis sei zu niedrig.

In drei bis fünf Prozent der Fälle habe die Magensäure aber schon zu Erosionen der Schleimhaut der Speiseröhre geführt. Und damit es nicht, wie in jedem 10 000sten Fall, zu Krebs komme, müssten Komplikationen verhindert oder behandelt werden.

Da seien einmal die Stenosen, Narben, die die Speiseröhre einengen würden, so dass größere Fleischbrocken nicht mehr hindurch passten.

Blutarmut könne ein Hinweis auf Schleimhautveränderungen sein. Daraus könnten sich Vorformen eines Krebses entwickeln. „Solche Patienten müssen überwacht werden“ - durch regelmäßige Magenspiegelungen. Die Vorformen könnten mit Hochfrequenzstrom-Magensonden abgetötet werden. Gesunde Schleimhaut wachse nach.

Eine Operation, bei der eine den Rückfluss verhindernde Manschette um die Speiseröhre gelegt wird, kommt für Dr. Wiedbrauck bei jüngeren Patienten in Frage, die nicht ein Leben lang Tabletten schlucken wollten. Manchmal seien jedoch dauernde Schluck­störungen die Folge. Bei einem Drittel von ihnen bleibe es bei den Beschwerden. Die Wirkung ende oft nach fünf bis zehn Jahren.