Huckingen.

Sie pflegen eine ungewöhnliche Freundschaft, nicht nur, weil sie bereits seit über 25 Jahren besteht, sondern auch, weil die beiden Männer vom Alter her 35 Jahre auseinander liegen - und das noch über den Ärmelkanal hinweg. Jedenfalls war Freddie Colbridge (91) aus der Grafschaft Norfolk in England jetzt erstmals bei seinem Brieffreund Werner Weidenmüller (56) zu Gast.

Eine praktisch unlösbare Sprachaufgabe hatte sie Mitte der 80er Jahre zusammengebracht. Werner Weidenmüller hielt sich damals zusammen mit seinem inzwischen verstorbenen Vater in Great Yarmouth/Norfolk zum Sprachurlaub auf. Die beiden besuchten einen Sprachkurs. „Wir mussten dort jeden Tag eine Aufgabe erledigen“, erinnert sich der Sohn. Eine dieser Aufgaben lautete: Versucht, in ei­nem Pub ein Bier in einem so genannten „engraved mug“, einem mit Namenszug versehenen Familienkrug, zu bekommen.

Diese Familienkrüge hängen in englischen Pubs über der Theke. Weidenmüller: „Es gilt als Sakrileg, daraus jemand anderen als ein Familienmitglied trinken zu lassen.“ Folglich bekam die Gruppe, die diese Aufgabe zu lösen hatte, in vier oder fünf Pubs auch einen Korb - nur nicht bei Wirt Freddie in dessen „Gallon Pot“. „Wir mussten allerdings warten, bis der letzte Gast gegangen war“, so der England-Tourist. Dann durfte das Ereignis zum Beweis sogar mit einer Sofortbildkamera festgehalten werden.

Aus dieser Begegnung entwickelte sich zunächst eine Brief- und Telefonfreundschaft. 1999 besuchten Vater und Sohn Freddie Colbridge dann erneut. Und 2009 feierte Weidenmüller mit ihm in Norfolk seinen 90. Geburtstag. Dann kam bei dem alten Herrn der Wunsch auf, noch einmal nach Deutschland zu reisen, wo er von 1945 bis 1949 als Besatzungssoldat stationiert war.

1945 war er als zunächst nach Hamburg gekommen. „Drei Tage nach Kriegsende“, also am 11. Mai 1945, so erzählt er uns, „habe ich dort einen Offiziersclub eröffnet.“ Wieso ihm, dem Sergeant, diese Aufgabe zugefallen war, weiß Freddie nicht. „Sie haben es einfach so entschieden.“ 1946 wurde er mit der gleichen Aufgabe nach Düsseldorf versetzt. Und so verwandelte er das traditionsreiche Restaurant „Zum Kurfürst“ in der Altstadt in einen Offiziersclub. „Wir haben es besucht, das Haus steht heute noch“, erzählt Freddies Gastgeber.

Freddie selbst mochte die Rheinländer. „Sie sind sehr ehrlich und diszipliniert“, sagt er, „und freundlich zu Soldaten.“ Am liebsten wäre er immer in Deutschland geblieben. Aber da spielte die Armee nicht mit - und vermutlich auch Ehefrau Phyllis nicht, die Freddie 1941 in Norfolk geheiratet hatte. 61 Jahre waren sie Eheleute, dann starb sie 2002. Drei Söhne, mittlerweile auch Herren im reifen Alter, gingen aus dieser Ehe hervor. Einer von ihnen brachte den alten Herrn jetzt nach Duisburg und holte ihn Samstag wieder ab.

Mit Gastgeber Werner Weidenmüller ging es zu den Stätten seines früheren Wirkens in Wuppertal, Remscheid und nach Köln. Und da Freddie Süßigkeiten über alles liebt, musste er in Duisburg, bei Dobbelstein, auch Sacher-Torte probieren.

Als Freddie die Weidenmüllers kennenlernte, war er schon im Ruhestand, half aber in dem Pub als Wirt aus, um den Wechsel zwischen zwei Pächtern zu überbrücken.