Generationswechsel im jüngsten Duisburger Stadtteil. Taufen auf dem Höchststand. Zu wenig Plätze im Kindergarten

„Wir würden gerne in Ungelsheim bleiben”. Allerdings braucht Familie Nauke dringend eine größere Wohnung. WennPia (9) im Februar einen kleinen Bruder bekommt, reichen dreieinhalb Räume in der Harzburger Straße nicht mehr. Auch Familie Nüchter mit Nina (8) und Nikolas (12) fühlt sich in Ungelsheim pudelwohl.

Vor allem jetzt, wo sie endlich alle Umbauten in ihrem hübschen Einfamilienhaus in der Goslarer Straße überstanden hat. Es gibt sie also doch, die jungen Familien in Ungelsheim - neben den vielen alten „Mannesmännern”, die in den 50er Jahren, als die Siedlung entstand, einzogen und geblieben sind. Zur Zeit findet ein Generationswechsel statt. Im Sommer musste der Kindergarten am Sandmüllersweg erstmals Anmeldungen ablehnen, weil es zu wenig Plätze gab. Ein weiteres Indiz: „Ich habe in den letzten zwölf Monaten 15 junge Ungelsheimer getauft.

Das ist der Höchststand seit Jahren”, erzählt Rainer Kaspers, Pfarrer der Auferstehungsgemeinde. Familie Nüchter musste nicht lange überlegen, als sie vor elf Jahren das Haus in Ungelsheim kaufen konnte. „Das letzte Grundstück in einer Sackgasse, Südwest-Lage und die Möglichkeit, eine Garage anzubauen”, nennt Ralf Nüchter die entscheidenden Kaufargumente.

Das Auto hat zwar immer noch kein Dach über dem Kopf, weil die Garage mittlerweile mit Fahrrädern und Rollern der Kinder zugestellt ist. Ansonsten ist der Plan aufgegangen. „Die Kinder haben vor der Tür Radfahren gelernt. Es ist absolut ruhig hier und die Verkehrsanbindung ist trotzdem gut.” Kirsten Nüchter joggt jeden Morgen rund um die Anger. „Und das auf unbefestigten Wegen. Im Urlaub muss ich lange suchen, ehe ich so eine Strecke finde”. Tochter Nina kann „gleich um die Ecke” reiten. Kirsten Nüchter, die als Single nach Ungelsheim zog, als sie bei Mannesmann arbeitete, lebt gerne hier. Ebenso Pia Nauke. „Man kann hier gut spielen”, sagt die Neunjährige. Mit Freundin Carina düst sie auf Inlinern und per Einrad durch die Siedlung. Oder die beiden suchen Frösche in der Kleinen Anger. Und bei schlechtem Wetter spielt Pia Gitarre. Den Unterricht gibt ihr eine Nachbarin im Haus.

Bettina Nauke ist in Ungelsheim aufgewachsen. „Ich kenn’ hier alles. Meine Mutter wohnt im Stadtteil”. Die Floristin hofft, dass die aktive Großmutter auch künftig, wenn das Baby da ist, gelegentlich einspringt. Ehemann Marko stammt aus Wismar, hat Ungelsheim aber auch schon schätzen gelernt. „Die Mieten sind günstig, wir zahlen rund 5 Euro pro Qudratmeter. Und von hier aus kann ich mit dem Rad zur Arbeit fahren”, sagt der gelernte Schiffbauschlosser, der seit neun Jahren bei HKM als Kranführer arbeitet. Ganz ohne Auto sei man allerdings aufgeschmissen.

„Es gibt ja keinen Supermarkt mehr hier”, bedauert sowohl Bettina Nauke als auch Kirsten Nüchter. Ein weiterer Kritikpunkt kommt von Nikolas Nüchter. „Zu wenig Kinder”, mosert der Zwölfjährige, der das Suitbertus- Gymnasium in Kaiserswerth besucht. Schwester Nina geht in die Ungelsheimer Grundschule. In ihrer sogenannten Kombiklasse werden Kinder des dritten und vierten Schuljahres gemeinsam unterrichtet. Die Zukunft der einzügigen Schule steht auf der Kippe. „Schule und Schulaufsicht kämpfen darum, dass die Schule erhalten wird”, so Pfarrer Kaspers.

Bleibt die Hoffnung, dass weitere junge Familien nach Ungelsheim ziehen. Die Nüchters warten sehnsüchtig darauf, dass das Grundstück am Grünen Hang endlich, wie geplant,mit rund 20 Einfamilienhäusern bebaut wird. „Ich würde mich sogar über den Baulärm freuen”, behauptet Kirstin Nüchter. Andere Ungelsheimer fürchten solcherlei Krach. Der wird sich allerdings nicht vermeiden lassen, wenn tatsächlich 40 rund 90 qm2 große Viereinhalb-Raum-Wohnungen entstehen. Bekanntlich will die Rheinwohnungsbau GmbHdurch Aufstockung der Häuser an der Harzburger Straße große Dachgeschosswohnungen schaffen und damit mehr junge Familien in den Stadtteil locken.

Die Naukes haben sich bereits für eine der neuen Viereinhalb- Raum-Wohnungen beworben. Die jungen Familien können die Ablehnung vieler älterer Ungelsheimer nicht recht nachvollziehen. Kirsten Nüchter: „Eine Mischung von Jung und Alt wäre ideal. Ungelsheim soll doch kein Altersheim werden.”