Über 16 Jahre war Ursula Hegemann im Gefangenenbesuchts-Dienst der Justizvollzugsanstalt Geldern
Ins Ehrenamt drängte esUrsula Hegemann nicht gerade, „ich bin immer gefragt worden, ob ich nicht helfen möchte.” Mit der Frauenhilfe fing es an, „und da habe ich mich sehr gern engagiert.”
Dann kam die Anfrage für das Presbyterium, schließlich engagierte sie sich für ein Kinderheim in Bolivien, „da habe ich die Patenschaft für ein vierjähriges Kind übernommen.” Zwischenzeitlich habe der junge Mann Schule und Studium absolviert und sei seinerseits als Lehrer in La Paz tätig. Hinzu kam eine Anfrage für ein Ehrenamt, über die sie länger nachdachte, ein Amt, in dem sie sich versuchte, bevor sie zusagte. Die Wände kahl, Belüftung, die Tür verschlossen, kein Fenster, „ein Tisch, zwei Stühle und kaum Platz, um sich zu bewegen, gab es in dem Raum.” Drei Gespräche mit drei verschiedenen Männern führte Ursula Hegemann, „das hat man mir so angeboten und erst danach sollte ich mich festlegen.”
Ein junger Mann nun schien ihr sympathisch, sie konnte sich vorstellen, ihn regelmäßig zu besuchen im Langzeitstrafvollzug der Justizvollzugsanstalt in Geldern. „Wer im Gefängnis-Besuchsdienst arbeitete, durfte die Akten der Gefangenen einsehen.”
Die heute 86-Jährige Großenbaumerin machte davon Gebrauch: „Ich konnte erst gar nicht glauben, dass dieser sympathische Mensch getan haben soll, was da stand.” Dennoch kam sie wieder, regelmäßig, über eine Zeit von 16 Jahren zu verschiedensten Straftätern. „Anfangs habe ich nur einen Besuch monatlich gemacht.” Hinzu kam ein weiterer Häftling und damit Besuche im 14-Tages- Rhythmus.
„Das hat mir viel gegeben.Manlernt, genau hinzusehen, zuzuhören, auch auf die Geschichte eines Menschen zu gucken, auf sein Elternhaus, und ihn nicht einfach zu verurteilen.” Was die Gefangenen in ihr sahen? „Manche vielleicht einen Mutterersatz”, andere hätten sie als aufmerksame Gesprächspartnerin betrachtet. „Gesprochen haben wir über das, was die Gefangenen beschäftigt hat. Über Fußball, das Wetter, ihre Verurteilungen, das war ganz unterschiedlich.”
Zu wenige Ehrenamtliche gebe es, die diesen Besuchsdienst übernehmen wollten. Versucht habe Ursula Hegemann, Mitstreiterinnen zu finden. „Doch die meisten haben mich nur gefragt: ,Warum tust du dir das an, da alle 14 Tage hinzufahren?’” Geantwortet habe sie: „Weil ich es kann. Weil es mir nicht so viel ausmacht.” Dass Außenstehende ihre Gesprächspartner meist harscher, rascher verurteilt hätten als sie selbst, dagegen habe sie nicht argumentieren wollen. „Das nützt ja doch nichts.”
Nach zwei Unfällen hat Ursula Hegemann den Besuchsdienst aufgegeben, gern denke sie daran zurück, „und wenn ich noch einmal so weit komme, dass ich mit dem Rollator selbst gehen kann, möchte ich noch einmal zu einem Besuch dorthin.Es gibt immer noch zu wenige Menschen, die das machen.” Zufrieden sei sie mit ihrem Leben im städt. Seniorenzentrum inGroßenbaum. „Ich hatte ein gutes Leben und auch jetzt ist es schön.”
Zur Erinnerung blättert sie in Fotoalben: „Bis Spitzbergen bin ich gereist, nach Ägypten. Eine große Reise in jedem Jahr.” Freude bereitet hätten ihr auch die Ehrenämter, der Kontakt, gleich ob in der Gemeinde – oder im Gefängnis.