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Viel zu viele Lebensmittel landen im Müll. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) wies kürzlich darauf hin, dass in Deutschland jährlich mehrere Millionen Tonnen an Lebensmitteln vernichtet werden und jeder Deutsche pro Jahr Nahrung im Wert von 310 Euro wegwirft.

Wie kann das sein, in einer Welt, in der so viel Hunger herrscht? Wie sieht es mit der Lebensmittelverwertung im Duisburger Süden aus? Wir haben nachgefragt.

„Wir bemühen uns, eine Verwertung hinzubekommen, die zulässig, umweltverträglich und sozial ist“, sagt Stefan Steves, Geschäftsführer der Edeka Handelsgesellschaft Rhein/Ruhr - und spricht damit für die Betreiber einzelner Edeka-Filialen (auch in Duisburg-Süd). Das heißt: Beim Einkauf wird - Erfahrungswerten zufolge - möglichst punktgenau angeschafft. „Das kann aber auch immer mal wieder in die Hose gehen“, weiß Steves aus Erfahrung.

Grünabfälle (Obst, Gemüse) würden in die Verwertung gegeben - z.B. in die Kompostierung. Ein größeres Problem sei der „umverpackte Restmüll“ - etwa Milchprodukte oder andere verpackte Artikel mit Mindesthaltbarkeitsvermerk. „Damit möglichst wenig Restmüll entsteht, geben wir diese Waren, noch bevor das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist, weiter - beispielsweise an die Tafel“, sagt Steves.

Damit steht man nicht alleine da. „Wir arbeiten mittlerweile mit über 100 Läden in ganz Duisburg zusammen. Vom Großhandel über den Supermarkt bis zum kleinen Metzger oder Bäcker“, erklärt Günter Spikofski, Geschäftsführer bei der Duisburger Tafel. Man erhalte Ware, die im Geschäft nicht mehr verkauft werden können. „Gurken, die nach Euronorm zu krumm sind oder Tetrapacks, auf denen die Aufschrift in Dänisch verfasst ist (was nicht sein darf), Joghurt und andere Milchprodukte, die nur noch zwei, drei Tage vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum sind“, so Spikofski. Die Nachfrage sei groß. „Wir erhalten auch Ware von außerhalb - z.B. Obst aus Niedersachsen, Pizza aus Belgien, usw. Ohne diese Angebote müssten wir ganz schön knapsen, um unsere Kunden zu versorgen.“

Im Malteserkrankenhaus St. Anna (zuzüglich in St. Johannes in Homberg) liefert der Caterer, die Primus GmbH, täglich 850 Portionen Essen für Patienten und Mitarbeiter an. Etwa 14,5 Tonnen Küchen- und Speisereste fallen monatlich an. Diese gehen an die Firma ReFood, ein Unternehmen, das die organischen Stoffe erfasst und aufbereitet - in Düngemittel oder umweltfreundliche Energien (Strom aus Blockheizkraftwerken oder hochwertige Vorprodukte von Biodiesel).

„Durch gut kalkulierten Einkauf und optimale Lagerung versucht man zudem natürlich zu erreichen, dass möglichst wenig Lebensmittel entsorgt werden müssen“, erklärt Krankenhaussprecherin Jessica Reinartz.

Das tut auch Karsten Storcks, Leiter des Werksrestaurants bei den Hüttenwerken Krupp-Mannesmann (HKM). „Aus wirtschafltichen, aber auch aus ethischen Gründen“, sagt er. Der Küchenchef wendet aber noch weitere „Müllvermeidungstricks“ an: „Wir wärmen das Essen zum Beispiel in kleineren Mengen sukzessive auf und kochen lieber noch einmal nach, wenn etwas ausgegangen ist, als von vorneherein zu viel zuzubereiten. Bleibt etwas übrig, versuchen wir es frisch zu halten und am folgenden Tag als Zusatzgericht anzubieten“, gibt er an.

Dass Nahrungsmittel, die eigentlich noch verzehrbar wären, weggeworfen werden, gehe in der Gastronomie auch auf strenge Hygieneverordnungen. Ein Beispiel: „Gerichte, die in der Auslage gestanden haben, müssen weggeschmissen werden“, so Storcks. Das Gleiche gelte für Reste eines Buffets. „Sie dem Gast in der Tupperdose mitzugeben, ist schon lange verboten.“ Hinzu kommt, dass beim Gast „die Optik zählt“. „Broccoli, der am Folgetag aufgewärmt wird, schmeckt noch sehr gut, ist aber nicht mehr so schön grün. Den will kein Gast mehr haben“, so der Koch.

Speisereste gibt Karsten Storcks in den Recyclingprozess, an einen zertifizierten Betrieb in Essen, der daraus Biogas herstellt. Was viele Verbraucher übrigens nicht wissen: Seit langem ist es verboten, Speisereste an die Bauern (für die Schweine) zu geben.

Und weiter:

Als „sehr komplex“ bezeichnet Nina Langen, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW, das Thema Lebensmittelvernichtung. „Hier konkret einen Schuldigen ausmachen zu wollen, ist nicht sinnvoll.“ Auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette - Erzeuger, Verarbeiter, Transport, Großhandel, Einzelhandel, Gastronomie, Konsument - werde etwas weggeworfen.

Die Datenerhebung zum Thema sei bislang noch unzureichend, eine wissenschaftliche Studie zum Konsumentenverhalten durch Verbraucherzentrale und FH Münster geplant. Sicher sagen könne sie: „Die Lebensmittelvernichtung hat viele Auswirkungen - auf den Hunger, das Klima, die Ernährung usw.“ Langen mahnt daher: „Jeder in der Kette muss sich verantwortlich fühlen.“

Landwirt Hermann Blomenkamp aus Serm (er gibt nicht verkaufte Kartoffeln an einen Kollegen zur Rinderfütterung) findet, dass an vielen Stellen etwas geschehen muss, hat einen einfachen Rat für Endverbraucher: „Nur so viel in den Kühlschrank packen, wie man auch essen kann - und aufessen, was schlecht zu werden droht.“

Info

Das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ beschäftigt derzeit Politik und TV-Talkrunden - und bald auch die Wissenschaft. Weil viele Menschen abgelaufene Lebensmittel wegwerfen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum sagt aber lediglich aus, dass ein Lebensmittel bis dahin seine Produkteigenschaften optimal erhält. Verdorben ist es ab Stichtag meist noch lange nicht. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner will die Verbraucher nun besser über die „Mindesthaltbarkeit“ aufklären.