Buchholz. .

„Viele deutsche Un­ternehmen bieten familienfreundliche Maßnahmen wie Kinderbetreuung oder flexible Arbeitszeitmodelle an“, behauptet Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer der Un­ternehmerverbands-Gruppe (Sitz: Buchholz).

„Jedes dritte Unternehmen unternimmt inzwischen Anstrengungen zu familienfreundlichen Arbeitsplätzen“, erklärt auch Heinz Lison, Präsident der Unternehmerverbands-Gruppe. Wir haben bei zwei ganz unterschiedlichen Betrieben im Duisburger Süden mal genauer hingeschaut:

Als Thomas Friese Anfang 2011 seinen Chef aufsuchte, hatte er „Muffe“. Er wollte drei Monate Elternzeit nehmen - als erster männlicher Mitarbeiter. Und er befürchtete, dass das - obwohl ja rechtlich verankert - schlecht ankommen würde. Der Diplom-Ingenieur arbeitet bei der Bechtle GmbH, einer Informations-Technologie-(IT)Firma, im Außendienst, betreut längerfristige Projekte bei Kunden. Doch Frieses Sorge war unnötig. Jochen Hemmerich, Bechtle-Geschäftsführer (selbst Vater von zwei Kindern) reagierte gelassen, fand die Idee okay.

„Wenn der Arbeitnehmer frühzeitig Bescheid sagt, dann kann alles geregelt werden“, erklärt er. Die Service- und Beratungseinsätze von Thomas Friese konnten vorübergehend an andere Mitarbeiter vergeben werden. Hätte er länger wegbleiben wollen, „hätte ich mir etwas einfallen lassen müssen - etwa jemand anderen befristet einstellen müssen“, so Hemmerich. Wolle man familienfreundlich sein, sei Kreativität im Personalmanagement gefragt.

Allerdings, schränkt Jochen Hemmerich ein, sei es in manchen Berufen einfacher und in anderen schwieriger, für einige Zeit „auszusteigen“. In der IT-Branche könne eine längere Pause Probleme bereiten. „Die Entwicklung geht da so schnell voran, Leute wie Thomas Friese müssen Experten sein und ständig Weiterbildung betreiben. Nach einem Jahr wären sie völlig raus.“

Teilzeitarbeit sei da ein guter Kompromiss: „Der Arbeitgeber profitiert von Teilzeitkräften. Denn die leisten oft mehr, als sie müssen“, so der Firmenchef. Junge Mütter auf Teilzeitbasis zurückzuholen, sei gewinnbringend für beide Seiten. „Diese Mitarbeiterinnen kennen das Geschäft, müssen nicht eingearbeitet werden. Für sie selber bedeutet die Teilzeitarbeit, dran zu bleiben.“

Hemmerichs Vertriebsassistentin Kornelia Böhm arbeitet seit 18 Jahren in Teilzeit - es funktioniert. „Mein Chef ist sehr selbstständig, nachmittags geht er eben selber ans Telefon“, sagt sie. Da ihre Aufgaben klar beschrieben seien, gäbe es keine Diskussion über das Ar­beitspensum. Der Kunde habe sich daran gewöhnt, dass sie nur vormittags zu erreichen sei. Der Firmenleitung gegenüber zeige sie sich flexibel. „Da ich keine Kinder habe, kann ich auch schon mal länger bleiben“, so Böhm.

Für die Innendienstlerin hat der Teilzeitjob einen großen Vorteil. Sie hat Zeit, um mit ihrem Mann, der bereits im Ruhestand ist, etwas zu unternehmen. Auch Thomas Friese hat von der Babypause profitiert. „Ich habe erfahren, wie es ist, ein Kind rund um die Uhr zu betreuen, weiß jetzt, wie wenig man nebenher schafft. Außerdem wird die Bindung zum Kind sehr eng, ich würde wieder Elternzeit nehmen“, sagt er.

Flexible Arbeitszeitmodelle sind - so Jochen Hemmerich - die Zukunft: „Die Arbeitgeber werden sich umgewöhnen müssen. Weil Frauen heutzutage eine gute Ausbildung und Lust aufs Arbeiten haben. Wenn der Fachkräftemangel erstmal zuschlägt, werden wir ohnehin weiter flexibilisieren müssen. Schon jetzt sagen uns Bewerber, dass die work-life-balance für sie sehr wichtig ist. Die Ansprüche der Arbeitnehmer werden zunehmen, wenn sie zwischen mehreren Jobs auswählen können.“

Zweittext:Experiment Wiedereinstieg

Wiedereinsteigen ins Berufsleben - Inga Bleich (39), eine Sozialwissenschaftlerin, wusste erst gar nicht so recht, wie und wo. Bei der Behinderten-Wohnheim Duisburg GmbH ergab sich die Chance, „wieder reinzukommen“. Sie arbeitet in Teilzeit (20 Stunden pro Woche) im Ambulant Betreuten Wohnen, unterstützt behinderte Menschen, die alleine leben, aber in bestimmten Bereichen Hilfe benötigen.

„Mein Sohn ist jetzt 20 Monate alt, ich wollte einfach wieder mehr mit dem Kopf machen. Ich war schließlich immer berufstätig“, sagt sie. Ihre Arbeitszeiten sind ideal fürs Familienleben. Sie absolviert meist zwischen 16 und 20 Uhr ihre Klientenbesuche. Und organisatorisch-dokumentarische Arbeiten kann sie daheim am PC erledigen. „Mein Mann macht gerade eine Umschulung, nachmittags kann er auf den Kleinen aufpassen“, berichtet Bleich. Das Experiment Wiedereinstieg hat bisher sehr gut funktioniert.

Das findet auch Geschäftsführerin Christel Zech. „Viele unserer Mitarbeiterinnen wollen nach der Elternzeit mit verminderter Stundenzahl zurückkommen - die Erfahrung hat gezeigt, dass das kein Problem ist. Die Rückkehrerinnen sind sehr zuverlässlich, fallen selten aus, haben die Kinderbetreuung gut organisiert“, erklärt sie. 35 % der 150 Mitarbeiter im Betreuten Wohnen (51 Klienten) und den sieben Wohnstätten (196 Bewohner) seien Teilzeitkräfte. „Man muss die Arbeit anders organisieren, aber es klappt“, sagt Zech und ergänzt: „Teilzeitarbeit gibt mir die Möglichkeit, gute Mitarbeiterinnen zu halten.“ Sie selber weiß, wie schwierig Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sind. „Als ich 1973 wieder anfing zu arbeiten, machte der Kindergarten noch um 12 Uhr zu. Glücklicherweise hatte ich meine Eltern im Haus.“

Wie hilfreich Großeltern für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind, weiß auch Janine Cantimür-Krechlok (31), die seit elf Jahren bei der Behinderten-Wohnheim GmbH beschäftigt ist. Die Heilerziehungspflegerin nahm ein Jahr Elternzeit, dann wollte sie wieder einsteigen - aus finanziellen Gründen und aus Liebe zum Job. Zuerst war sie nachmittags für einige Stunden im Betreuten Wohnen tätig, aber „mein Herz hing an der Wohnstätte, in der ich früher gearbeitet hatte.“ Jetzt ist sie dort wieder in Vollzeit als Betreuerin tätig - im Schichtdienst. „Da muss ich zu Hause ganz schön herumorganisieren - je nachdem, welche Schicht ich habe. Mein Sohn ist morgens im Kindergarten, nachmittags kann die Oma aufpassen, abends mein Mann.“

Irgendwie haue es immer hin, „zumal man hier im Betrieb beim Thema Familie auf offene Ohren stößt“. Dienstpläne werden in Absprache verfasst - und auch schon mal abgeändert. „Und wenn man zu Hause unbedingt gebraucht wird, dann gibt es immer eine Kollegin, die einspringt“, so Janine Cantimür-Krechlok.