Großenbaum. .

Sticken - das konnte vor 30 Jahren noch jede Oma ihren Enkeln zeigen. Mittlerweile ist das Handarbeiten aber ziemlich aus der Mode gekommen.

Und: Das Fach „Textiles Gestalten“, das es früher an fast allen Schulen gab, ist ebenfalls vom Stundenplan verschwunden. In der Gesamtschule Süd allerdings lernen derzeit rund 60 Schülerinnen und Schüler, wie man mit Nadel und Faden schöne Dinge herstellen kann. Lehrerin Nejla Yurtman bringt ihnen (in drei Arbeitsgemeinschaften) das Sticken bei.

„Die Stick-AG ist recht beliebt. Sie läuft schon seit 20 Jahren und meist können wir jeweils eine Gruppe für die Jahrgangsstufen 5 und 6 sowie 7 und 8 bilden“, erklärt die Pädagogin. Reine Mädchensache sei das Sticken nicht. „Meist gibt es ein bis drei Jungs pro Kurs. Ich hatte sogar schon einige Schüler dabei, die über mehrere Jahre begeistert mitgemacht haben“, so Yurtman.

Wie beispielsweise Bertran Elmas (13), der in der jetzigen AG 7/8 zu den erfahrenen Stickern zählt und sich gerade an einer Tischdecke versucht. „Sticken ist ziemlich anstrengend, aber wenn eine Arbeit fertig ist, dann freut man sich“, erklärt er. Sein Erstlingswerk - ein gesticktes Bild - hat er seiner Großmutter geschenkt.

Auch Ilayda Akdan (14) „bastelt“ zurzeit an einer Tischdecke. „Sticken macht Spaß, aber man muss sich richtig konzentrieren, muss das Muster immer wieder genau anschauen und die Stiche korrekt abzählen“, berichtet sie.

Zwei dicke Musterbücher stehen den Jugendlichen zur Verfügung. Nejla Yurtman hat im Laufe der Jahre nämlich viele Muster gesammelt oder sogar selbst entworfen. „Die An­fänger beginnen natürlich mit kleinen Motiven, damit sie schnell fertig sind und schnell ein Erfolgserlebnis haben“, erläutert sie. Herzchen, Blümchen, Engel, Schneemänner und viele andere Bildchen werden auf den Stoff aufgestickt. Zunächst produzieren die Schülerinnen und Schüler ein kleines (Landschafts-)Bild, danach steht ein Kissenbezug - zum Beispiel mit Herzchen-Motiv - auf dem Programm. Damit es nicht zu schwierig wird, nutzen die Sticker(innen) nur den Kreuzstich. Dafür ist beim Garn die Auswahl groß - es gibt sehr viele verschiedene Farbnuancen.

Das Sticken schult die Feinmotorik der Kinder und Jugendlichen. „Die Fingerfertigkeit, die man fürs Handarbeiten braucht, besitzen Schüler heutzutage nicht, sie müssen sie regelrecht trainieren“, sagt Maria-Luise Winter, AG-Koordinatorin an der Gesamtschule Süd. Denn: Kaum eine Mutter oder Großmutter stic­ke, stricke oder häkele noch - weder in deutschen noch in Migrantenfamilien. Vielleicht funktioniert es bald andersherum: Die Enkel/innen bringen der Oma das Sticken bei.

Info

Früher lernten Kinder schon in der Grundschule häkeln und stricken. Heute ist das „Textile Gestalten“ - auch in der weiterführenden Schule - nur noch ein Teil des Kunstunterrichts. Es wird dort - je nach Vorbildung und Neigung der entsprechenden Lehrerin/des entsprechenden Lehrers - mehr oder weniger (bis gar nicht) praktiziert.