Ehingen. .
Jetzt auch noch das: Eine der letzten männlichen Bastionen ist am Pfingstwochenende gefallen; die Frauen schicken sich an, auch noch die Schützenvereine zu regieren, seit Jahrhunderten eine rein männlich dominierte Hochburg.
Zumindest in Ehingen wurde am Wochenende in dieser Hinsicht Geschichte geschrieben: Die rund 200 Schützen der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Mündelheim-Ehingen von 1712 mit ihren elf Kompanien werden in Zukunft von einer Frau regiert. Die Mündelheimerin Manuela Janssen schoss am Wochenende am Ehinger Berg nach einem spannenden Wettkampf den Vogel ab.
Dabei war es bis kurz vor Beginn des Königschießens am Pfingstsamstag gar nicht mal so sicher, dass es in diesem Jahr überhaupt einen Schützenkönig bei dem traditionsreichen Verein geben würde. Denn in den letzten Jahren hatten sich die amtierenden Schützenkönige mit gut gemeinten, aber kostspieligen Einladungen an ihre Schützenbrüder und -schwestern überboten. Erster Brudermeister Heiner Lambertz: „Jeder wollte den anderen übertrumpfen.“ Der Aufwand wurde immer größer und die Kosten stiegen in den mitteren vierstelligen Bereich.
Am Ende wollte niemand mehr zum Königsschießen antreten. Noch am Samstagmorgen waren alle darauf vorbereitet, zum ersten Mal in der fast 300-jährigen Geschichte des Vereins gar keinen Schützenkönig zu stellen. „Wir hatten schon ins Kalkül gezogen, dass wir in diesem Jahr überhaupt nicht schießen, sondern nur feiern“, stellte Lambertz fest.
„Der Vorstand suchte dann Wege, dem künftigen König oder der Königin ihr Amtsjahr zu vereinfachen - sowohl finanziell, als auch vom Arbeitsaufwand her.“ Lambertz und seine Vorstandskollegen zogen die Reißleine. Mit einem Weckruf appellierte der Brudermeister per Rund-E-Mail an das Gemeinschaftsgefühl seiner Schützen.
Und damit riss Lambertz das Ruder wieder herum. Spätestens am Samstagmorgen war allen klar: Der künftige König oder die Königin müssen nicht mehr so tief in die Tasche greifen wie bisher. Seitdem ist bei den Schützen nicht nur das Gemeinschaftsgefühl wieder eingekehrt, sondern auch die neue Bescheidenheit. Und nicht nur das: Am Samstagnachmittag nahmen, wie gewohnt, wieder zehn Schützen beim Königsschießen teil - vier für den Königsvogel, sechs für den Prinzenvogel. „Da ist ein Ruck durch die Reihen gegangen“, so Lambertz. „So viele Teilnehmer hatten wir lange nicht mehr.“
Zwar musste das Schießen am Ehinger Berg wegen zahlreicher Gewitter und Regenfälle mehrfach unterbrochen und um Mitternacht zunächst ganz abgebrochen werden. Denn zu später Stunde hing immer noch ein letzter Rest des Holzvogels in zehn Metern Höhe über dem Schießstand im Ehinger Wäldchen. Aber am Sonntagmorgen machte Manuela Janssen von der Damenkompanie Artemis (Leitmotto: „Wir sind Königin!“) zur großen Überraschung der umstehenden Schützenbrüder alles klar…
…mit dem 403. Schuss schoss die 38-jährige Telefonsekretärin um 10.35 Uhr nach acht Stunden Schießen den Vogel ab. Jetzt können die Schützen aus Ehingen und Mündelheim im September in neuer Harmonie ihr eigentliches Schützenfest feiern. „Wir haben die beiden Veranstaltungen terminlich auseinandergezogen“, so Brudermeister Heiner Lambertz. Denn wir feiern so gern.“ Auch für das Jubiläumsjahr 2012 heißt es jetzt: „Gut Schuss!“