Großenbaum.
Weitreichende Konsequenzen hat nach Ansicht der Wedauer Fahrlehrerin Ursula Schiff die Ausweisung des Bahnhofsvorplatzes als verkehrsberuhigter Bereich (wir berichteten).
Dort gelten seitdem nicht nur Parkverbot und Schrittgeschwindigkeit. „Es gibt keine Straße mehr“, sagt sie. Was die dortige Pflasterung betone, nämlich die frühere Fahrbahn, „ist nur noch eine gedachte Linie.“ Alle Verkehrsteilnehmer dürften überall verkehren. „Jeder hat das gleiche Recht.“ Nur dürfe man sich nicht gegenseitig beeinträchtigen. „Darum auch Schritttempo.“
Vor der Sparkasse war früher die Bushaltestelle. „Jetzt dürften die Autofahrer über den dortigen gepflasterten Streifen fahren“, sagt Schiff - oder über die gegenüberliegende Platzfläche. Instinktiv würden die meisten Autofahrer auch künftig die ehemalige Fahrbahn benutzen. „Man verhält sich eben so, als wäre es noch eine Straße“, sagt sie. „Aber es ist keine Straße mehr, sondern ein verkehrsberuhigter Bereich.“ Straße bedeute die Trennung in Gehweg, Radweg und Fahrbahnen. Im verkehrsberuhigten Bereichen gingen alle miteinander auf. Das werde dann problematisch, wenn sich der eine Verkehrsteilnehmer dieses Unterschieds bewusst sei, der andere jedoch nicht. Extrembeispiel von Schiff: „Es gibt kein Rechtsfahrgebot mehr.“ Damit aber rechne kaum ein Verkehrsteilnehmer.
Wir hören uns um, wie andere Stellen das sehen. Beim Verkehrskommissariat der Polizei erfahren wir, dass dem nicht so sein könne. Begründung: Das Rechtsfahrgebot gelte für alle Straßen. Und der verkehrsberuhigte Bereich (blaues Schild „Spielstraße“) gebe bewusst die Straße in voller Breite für Fußgänger frei. Folglich gelte auch dort das Rechtsfahrgebot. Und diese Sichtweise teilt auch ein Amtsrichter, den wir fragen. „Die Rechte der Autofahrer sind erheblich eingeschränkt, Fußgänger sogar bevorrechtigt“, sagt er.
Dem hält Ursula Schiff entgegen, man bräuchte doch nicht beiderseits der Straße das blaue Schild, also auch links, wenn es das Rechtsfahrgebot noch gebe.
Die Stadt teilt die Ansicht der Fahrlehrerin. Niemand müsse mehr zwingend rechts fahren. Aber darauf komme es auch gar nicht an, so Georg Puhe vom Dezernat für Stadtentwicklung: „Gefordert ist hier eine neue Kultur, eine Kultur der Rücksichtnahme.“