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Max Meier (Name von der Redaktion geändert) ist psychisch krank, immer wieder einmal plagt ihn „Verfolgungsangst“.

Deshalb hat er mit seinen Nachbarn Streit. Um ihnen nicht zu begegnen, putzt er die Treppe nicht mehr. Das führt zu Ärger mit dem Vermieter. Aus Frust hört Meier zu laut Musik. Die Polizei rückt an. Ein Teufelskreis; der immer enger wird . . .

Um gegenzusteuern, um der zunehmenden Isolierung zu entkommen, braucht Max Meier Hilfe. Er könnte einen Betreuer wie beispielsweise Rüdiger Szapons gebrauchen. Der Sozialarbeiter machte sich vor zwei Jahren selbstständig - mit einem „Büro für soziale Arbeit und Beratung“. Und betreut seither ambulant Menschen mit seelischen oder geistigen Behinderungen oder auch Suchterkrankungen. In Duisburg und in Mülheim.

Mut musste der 52-Jährige 2008 erst einmal aufbringen, als er einen sicheren Job mit exponierter Stellung aufgab und eine eigene Existenz gründete. An Erfahrung mangelte es ihm nicht. Zehn Jahre lang arbeitete er an verschiedenen psychiatrischen Kliniken, absolvierte zusätzlich eine Familientherapie-Ausbildung. Danach war Szapons 16 Jahre lang bei „Regenbogen e.V.“ beschäftigt, einem gemeindepsychiatrischen Träger, der in Duisburg Wohnheime, Tagesstätten, Beratungsstellen und das „Ambulante betreute Wohnen“ betreibt.

Ambulante Hilfe erteilt der Mülheimer nun in Eigenregie. Er begleitet Menschen, die zwar alleine wohnen, aber ihren Alltag nicht ganz alleine bewältigen können. Psychiatrische Kliniken oder gesetzliche Betreuer wenden sich an ihn, wenn sie erkennen, dass ein Patient oder Klient „soziale Betreuung“ benötigt.

Diese wird auf Antrag (inklusive ärztlicher Bescheinigung) vom Landschaftsverband Rheinland bewilligt, auf ein bestimmtes Stundenmaß festgelegt und finanziert. „Ich schreibe zusammen mit dem Klienten einen Hilfeplan, in dem es um vier zentrale Fragen geht: Wie wohne ich? Wie sieht es mit Arbeit oder Beschäftigung aus? Wie gestalte ich meine Freizeit? Wie sehen meine sozialen Beziehungen?“, erklärt Rüdiger Szapons. Daran an schließt sich folgende Frage 5: „Wie soll das alles in einem Jahr sein?“ Denn: Der Hilfeplan wird zunächst nur für ein Jahr bewilligt, dann muss ein neuer Antrag gestellt werden.

Es gilt also Ziele anzupeilen, dem Klienten „Rüstzeug“ zu vermitteln, mit dem er sein Leben besser meistern kann als bisher. Oft geht es dabei ganz praktisch zu: Szapons begleitet seine Schützlinge zum Arzt, bringt sie an Orte, an denen sie „ähnliche Menschen kennenlernen können“ (etwa zum Frühstückstreff in einer Beratungsstelle oder zu einem Sportverein) oder hilft beim Putzen von Wohnung und Hausflur.

„Eines der wichtigsten Themen für alle meine Klienten lautet: Wie komme ich mit meinen knappen wirtschaftlichen Ressourcen aus?“, so der 52-Jährige. Denn: Fast alle sind Hartz 4-Empfänger. „Ich versuche, sie in Arbeit zu bringen oder zumindest in Zweckbetriebe oder Werkstätten für behinderte Menschen zu integrieren“, sagt Szapons. Das gelingt nicht immer, aber doch öfter: „Erst kürzlich habe ich sogar einen jungen Mann, der früher drogenabhängig war, auf dem ersten Arbeitsmarkt unterbringen können.“

Für manchen psychisch Kranken sind diese Ziele viel zu hoch gesteckt. Er muss erstmal lernen, besser mit seiner Krankheit klar zu kommen, zu erkennen, wann er einen Krankheitsschub hat und wann ein Klinikaufenthalt notwedig ist. „Für diese Menschen ist es schon ein Erfolg, wenn sie seltener in die Klinik müssen, wenn sie einfach etwas gesünder sind, sich stabiler in ihrem Umfeld bewegen“, erläutert Szapons. Rückschläge sind beim Hilfeplan einkalkuliert, dürfen Klient und Sozialarbeiter aber nicht frustrieren. Für manche „Fälle“ gilt leider: Die „Eingliederungshilfe“ wird wohl über lange Zeit notwendig sein.

Über Auftragsmangel kann sich Rüdiger Szapons nicht klagen. Mittlerweile beschäftigt der Kleinunternehmer fünf Mitarbeiter. Dennoch setzt er nicht ausschließlich auf das „Ambulante betreute Wohnen“. Standbein zwei ist die Supervision und Fortbildung von Profi-Teams in Kliniken oder Jugendeinrichtungen. Dritte Säule: ein Gemeinwesenprojekt mit einer Mülheimer Wohnungsbaugesellschaft. Szapons tritt bei Nachbarschaftsstreitigkeiten auf den Plan. „Da geht es genauso verrückt zu wie im psychiatrischen Bereich“, berichtet er augenzwinkernd. Die verstrittenen Nachbarn versucht er an einen Tisch zu holen, damit im moderierten Gespräch Vorurteile abgebaut und Konflikte bereinigt werden können. Erfolg ist, „wenn die ältere Leute aus dem Erdgeschoss akzeptieren, dass Kinder beim Spielen auch mal laut sein dürfen und die Kinder von oben einsehen, dass sie um 23 Uhr nicht polternd aus dem Hochbett springen sollten.“